Vortrag von Prof. Dr. med. Winfried J. Randerath, Generalsekretär der DGP, Chefarzt am Krankenhaus Bethanien und Direktor des Wissenschaftlichen Instituts Bethanien, Solingen auf einer Pressekonferenz im Rahmen des DGP-Jahreskongresses 2019:
Etwa ein Drittel der Bevölkerung leidet unter chronischen Problemen des Ein- und Durchschlafens, etwa 10 Prozent unter dem Krankheitsbild der Schlaflosigkeit (Insomnie). Das zeigen Untersuchungen der Krankenkassen Barmer/GEK und DAK übereinstimmend. Häufig sind es Umweltfaktoren wie Stress, Lärm, Licht oder schlafstörende Gewohnheiten, die die nächtliche Ruhe beeinträchtigen. Es gibt aber auch eine Reihe von Erkrankungen, die zu Schlafstörungen führen. Verbreitet sind das Restless Legs-Syndrom, bei dem periodische Beinbewegungen den Schlaf unterbrechen, und Atmungsstörungen wie die obstruktive Schlafapnoe, die zu nächtlichen Atemaussetzern führt.
Wer an Schlafstörungen leidet, fühlt sich tagsüber meist schläfrig, ist weniger konzentriert und nicht mehr voll leistungsfähig. Auch die Gedächtnisleistung lässt nach. Es besteht die Gefahr des Sekundenschlafs, was vor allem im Straßenverkehr gefährlich werden kann. Chronischer Schlafmangel kann außerdem zu Folgeerkrankungen, etwa des Herz-Kreislauf-Systems, führen.
Durch die große Zahl der Betroffenen, Arbeitsausfallzeiten, Krankheitskosten und die Schwere der Folgeerkrankungen stellen Schlafstörungen nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem dar.
Um die Ursache einer Schlafstörung genau feststellen zu können, kann es sinnvoll sein, den Patienten für einige Nächte in einem Schlaflabor zu beobachten. Dort können die Ärzte verschiedene Organaktivitäten, wie etwa Hirnströme, Atmung, Augen- und Beinbewegungen oder die Herzaktivität messen, während der Patient schläft. Durch die Untersuchung im Schlaflabor erhalten Ärzte wichtige Einblicke in das Schlafverhalten des Patienten. Dennoch müssen in Deutschland immer mehr Schlaflabore schließen, weil die Krankenkassen immer weniger für stationäre Behandlungen im Krankenhaus zahlen.
In Deutschland können Untersuchungen im Schlaflabor sowohl ambulant, von Fachärzten, als auch stationär von Krankenhäusern durchgeführt werden. Für ambulante und stationäre Behandlungen gibt es in Deutschland zwei verschiedene Vergütungssysteme. Dabei ordnen die Krankenkassen schlafmedizinische Untersuchungen als ambulante Leistung ein, die Krankenhäuser – streng genommen – gar nicht erbringen dürfen. Dies führt dazu, dass eine stationäre Untersuchung im Schlaflabor von den Kostenträgern nicht oder nicht angemessen vergütet wird. Der Art der Betreuung – nämlich die Überwachung durch Personal, die kontinuierliche Erfassung von Messsignalen und die eingesetzten Geräte – ist aber für niedergelassene Kassenärzte und Krankenhäuser derselbe. Unterschiede können sich durch die Komplexität schlafmedizinischer Diagnosen und Angebote am Tag ergeben. Die Unterdrückung eines Systems ist weder inhaltlich noch ökonomisch gerechtfertigt. Der erhebliche Kostendruck und die Verlagerung vom Krankenhaus in den kassenärztlichen Bereich führen zudem zu einer deutlichen Reduktion der Weiterbildungsstellen. Jährlich werden nur noch wenige Schlafmediziner ausgebildet, sodass die zukünftige Versorgung von Patienten mit Schlaferkrankungen nicht gesichert werden kann. Bereits heute sind Wartezeiten von mehreren Monaten bis über ein Jahr für Patienten nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Aus diesen Gründen plädieren Schlafmediziner dafür, dass die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung aufgehoben wird. Das bedeutet unter anderem, dass gleiche medizinische Leistungen gleich vergütet werden sollen. Ziel ist die Einrichtung schlafmedizinscher Zentren (in Praxis oder Krankenhaus), die sektorenübergreifend – also unabhängig von der Einteilung ambulant/stationär arbeiten. Diese Zentren sollen das gesamte Spektrum der Untersuchungsmöglichkeiten leitliniengerecht anwenden können. Ein sektorenübergreifendes Modell würde nicht nur die Schlafmedizin finanziell entlasten: Es würde auch zu einer besseren Versorgung führen, weil die Patienten frühzeitig eine sichere Diagnose erhalten und dementsprechend gezielt therapiert werden können. So lassen sich Folgeerkrankungen und damit auch erhebliche Krankheitskosten vermeiden.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin