Nur fünf Prozent der Menschen, die sich mit Tuberkel-Bakterien (Mycobacterium tuberculosis) infiziert haben, entwickeln eine behandlungsbedürftige Tuberkulose. Bei den anderen wird der Erreger vom Immunsystem (T-Lymphozyten, Zytokinen und NF-alpha) in Schach gehalten. Sie schlummern dann in sog. fibrosierten Granulomen, die in Form eines zufällig entdeckten Tuberkuloms radiologisch in Erscheinung treten können. In solchen Fällen spricht man von einer latenten Tuberkulose (LTBI), Betroffene sind nicht krank und auch nicht infektiös. „Doch wenn das Immunsystem aus irgendwelchen Gründen schwächelt, werden die Erreger reaktiviert und es bildet sich ein verkäsendes Granulom“, berichtet Dr. Pia Hartmann vom Institut für Mikrobiologie der Uniklinik Köln in Ihrem Vortrag auf dem Symposium „Wie latent ist eine latente Tuberkulose?“ am 15.3.19 im Rahmen des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in München. Erhält solch ein verkäsendes Granulom Anschluss an einen Bronchus, kann sich eine offene Tuberkulose entwickeln, d.h. der Patient wird dann infektiös.
Wen testen?
Nur wann sollte man wen im Hinblick auf das Vorliegen einer latenten Tuberkulose screenen? „Grundsätzlich sollte man nur dann testen, wenn man bei einem positiven Ergebnis auch behandelt, und nicht einfach so, um die Neugierde zu befriedigen“, so Hartmann. „Intention to screen is intention to treat“. Getestet werden sollten daher nur Personen, die ein erhöhtes Risiko für Tuberkulose haben. Dazu sollte eine Risikoeinschätzung vorausgehen. Ziel ist, durch eine gezielte präventive Therapie eine Reaktivierung potenziell schlummernder Tuberkulose-Bakterien und damit eine manifeste Tuberkulose zu verhindern.
Soll-, Sollte- und Kann-Empfehlungen
Eine strenge Indikation, also eine Soll-Empfehlung für die Testung und eine etwaige Chemoprävention besteht bei:
- Personen mit engem Kontakt zu einem kulturell oder molekularbiologisch gesicherten, an Lungentuberkulose erkrankten Indexfall,
- Patienten vor Einleitung bzw. unter einer Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren,
- Patienten mit einer HIV-Infektion
- Patienten mit rheumatoider Arthritis, die TNF-alpha-Inhibitoren oder Basistherapeutika (wie Leflunomid, Ciclosporin und Methotrexat) einnehmen
Eine Indikation nach einer individuellen Risikoabwägung, also eine Sollte-Empfehlung besteht bei:
- Patienten mit einer schwerwiegenden Grunderkrankung wie Diabetes mellitus, malignen Lymphomen, Leukämien, Kopf-Hals-Karzinomen oder vorbestehender Silikose.
- Schwangeren, wenn eine kurz zurückliegende Infektion oder eine definierte Immunsuppression, vor allem eine HIV-Infektion vorliegt.
- Patienten vor einer geplanten bzw. nach einer Organ- oder hämatologischen Transplantation (iatrogene Immunsuppression).
Erwägen i. S. einer Kann-Indikation sollte man darüber hinaus eine Chemoprävention auch bei:
- Dialysepatienten insbesondere dann, wenn eine weitere Grunderkrankung neben einer Niereninsuffizienz vorliegt,
- Personen mit einer i.v.-Drogenabhängigkeit.
· Dazu kommen besondere Personengruppen, bei denen eine Chemoprävention ebenfalls erwogen werden sollte, nämlich:
- Personen, bei denen erfahrungsgemäß eine erhöhte Reaktivierungstendenz besteht, z.B. Personen aus Hochinzidenzländern,
- Personen, die in Justizvollzugsanstalten untergebracht sind,
- Obdachlose.
„Screening und Chemoprävention sind besonders wichtig bei asylsuchenden Kindern wegen der hohen Progressionsrate“, betont Hartmann. Im Unterschied zu Erwachsenen sollte bei Kindern mit nachgewiesener latenter Tuberkulose (LTBI) immer eine Chemoprävention durchgeführt werden. Die Gründe für diese Empfehlung sind das schnellere Fortschreiten der Erkrankung (höheres Progressionsrisiko, kürzeres Zeitintervall zur Primärinfektion), das geringere Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen und der langfristige Nutzen durch eine frühzeitige Elimination der Erreger.
Quelle: DGP-Kongress Symposium „Wie latent ist eine latente Tuberkulose?“ am 15.3.19 & www.springermedizin.de