Tuberkulose
Krankheitsbild
Das Eindringen der Tuberkulosebakterien über die Atemwege verursacht in der Lunge eine für diese Krankheit typische Reaktion. Es kommt zunächst zu einer unspezifischen Entzündung in der Lunge. Die Bakterien können gleichzeitig auch über die Lymphbahnen in die umliegenden Lymphknoten oder über die Blutbahnen in andere Organe verschleppt werden, wo sich weitere Entzündungsherde bilden können.
Vom Immunsystem aktivierte Entzündungs- und Abwehrzellen bilden einen Wall um die Erreger und versuchen, sie gegen den Rest des umliegenden Gewebes abzukapseln (Granulombildung). Im Zentrum eines solchen Walls befinden sich dann neben einigen abgetöteten Tuberkulosebakterien auch ruhende, jedoch vitale Erreger, welche durch die Fresszellen (Makrophagen) nicht erfolgreich bekämpft werden konnten. Wenn dem Körper eine Eindämmung der Infektion erfolgreich gelingt, liegt eine latente tuberkulöse Infektion vor (LTBI), es kann sich aber auch unmittelbar im Anschluss an die Infektion (Primärtuberkulose) oder erst lange Zeit später eine behandlungsbedürftige Erkrankung (Postprimärtuberkulose) entwickeln (siehe auch "Was ist Tuberkulose?").
Eine gute Abwehrlage kann zum so genannten Tuberkulom führen - einem größeren tuberkulösen Rundherd, bestehend aus einem zerfallenden Zentrum (aufgrund der besonderen Konsistenz dieses Gewebes wird von „Verkäsung" gesprochen) mit umgebendem Granulationsgewebe.
Findet jedoch keine Abkapselung statt und das käsige, absterbende Gewebe (Gewebsnekrose) im Zentrum des tuberkulösen Entzündungsprozesses gewinnt Anschluss an einen Bronchialast (Bronchus), so kann das keimreiche Material abgehustet werden und es kommt zur Ausbildung von Hohlräumen, den so genannten Kavernen. In diesem Fall liegt eine offene Tuberkulose vor. Die betroffenen Patienten sind als hochinfektiös anzusehen, da sie in aller Regel viele Bakterien abhusten.
Die häufigste Entstehungsort der Tuberkulose ist die Lunge (pulmonale Tuberkulose; in Deutschland 80% der Patienten). Außerhalb der Lunge liegende, extrapulmonale Tuberkulosen betreffen hauptsächlich die außerhalb des Brustraums sitzenden Lymphknoten, das Rippenfell (Pleura) und die Nieren bzw. ableitenden Harnwege (Urogenitaltuberkulose). Weitere, vergleichsweise selten betroffene Organsysteme sind Knochen bzw. Gelenke, Wirbelsäule, Verdauungstrakt sowie Hirnhaut (Meningitis tuberculosa) und das zentrale Nervensystem.
Latente tuberkulöse Infektion & Primärtuberkulose
Der erste Kontakt mit dem M. tuberculosis führt nach durchschnittlich 6-8 Wochen durch Sensibilisierung spezifischer T-Lymphozyten zu einem positiven Tuberkulinhauttest. Ohne gleichzeitigen röntgenologischen Nachweis eines Organbefundes wird dieser Zustand als latente tuberkulöse Infektion (LTBI) bezeichnet. Lässt sich jedoch röntgenologisch in der Lunge ein kleiner Entzündungsherd mit einer örtlich begrenzten Lymphknotenreaktion (Primärkomplex) nachweisen, liegt eine Primärtuberkulose vor. Selten findet sich der Primärkomplex außerhalb der Lunge (z.B. Mandeln, Magen-Darmtrakt). Häufig bestehen keinerlei Symptome, manchmal finden sich jedoch eine leicht erhöhte Körpertemperatur, Husten, Nachtschweiß, Appetitverlust und Abgeschlagenheit. In seltenen Fällen treten rotbläuliche, auf Druck sehr schmerzhafte Knoten an den Streckseiten der Unterschenkel auf. Dieses so genannte Erythema nodosum entsteht aufgrund einer überschießenden Abwehrreaktion des Immunsystems auf die Infektion hin.
Im weiteren Verlauf kann die Primärtuberkulose zu verschiedenen Komplikationen führen. Entsteht beim Einschmelzen der Entzündungsherde (Primärkaverne) eine Verbindung zu den Blut- und Lymphgefäßen, können die Bakterien in andere Regionen streuen und weitere Herde bilden, die später dann Ausgangspunkt für eine Reaktivierung darstellen können. Besteht eine Verbindung der Kaverne zum Bronchialsystem, dann gelangen die Erreger mit dem Husten in die Umwelt und es liegt eine offene Tuberkulose vor, die hochansteckend ist. Falls sich Lungenherde in der Nähe von Blutgefäßen bilden, können sie diese beim Einschmelzen verletzen. Dann kommt es zu blutigem Husten.
Lymphknoten, die im Bereich der Eintrittstellen für die Hauptbronchien (im so genannten Mittelfell bzw. Mediastinum) liegen, können infolge der Infektion derart anschwellen, dass ggf. ein Bronchus abgedrückt wird (Hiluslymphknotentuberkulose). Eine Minderbelüftung bzw. ein Kollaps der von diesem Bronchus versorgten Lungenareale ist die Folge.
Häufig erkranken Patienten auch an einer Rippenfellentzündung die anfangs manchmal als „trockene" Pleuritis beginnt und mit starken Schmerzen beim Atmen und einem mit dem Stethoskop wahrnehmbaren Pleurareiben während der Atmung einhergeht. Wird bzw. ist die Rippenfellentzündung von Anfang an feucht (Pleuritis exsudativa), bildet sich ein Erguss zwischen dem Rippenfell und der Lunge. Dann lassen zwar die Schmerzen nach, dafür kommt es zu Atemnot - anfangs nur unter Belastung, im fortgeschrittenen Stadium auch in Ruhe.
Die tuberkulöse Lungenentzündung selbst kann als weitere Komplikation mit hohem Fieber einhergehen, da sich nicht selten noch weitere Bakterienarten auf der vorgeschädigten Lunge ausbreiten. Durch Streuung über den Blutweg in verschiedene weitere Organe können Tuberkulosebakterien einen sogenannte Miliartuberkulose verursachen, die aber zum Glück selten ist. Dabei finden sich hirsegroße tuberkulöse Herde in verschiedensten Organen, beispielsweise in Leber, Milz, Niere, Nebennieren, Knochen, Hirnhäuten und in der Aderhaut der Augen. In der Lunge stellen sich die kleinen Herde im Röntgenbild als „Schneegestöber" dar.
Postprimäre Tuberkulose
Dabei handelt es sich in aller Regel um die Reaktivierung bisher ruhender Erregerherde (Granulome) mit noch lebenden Tuberkulosebakterien, die aus der Primärinfektion stammen und über lange Zeit eingekapselt im Körper „schlummerten". Seltener handelt es sich um eine erneute Infektion von außen („exogene Reinfektion"). Meistens betrifft die postprimäre Tuberkulose die Lunge, sie kann aber auch andere (extrapulmonale) Organe befallen. Klassische Orte sind periphere Lymphknoten, das Rippenfell, Niere und ableitende Harnwege, Knochen und Gelenke, seltener andere Organe (Verdauungstrakt, Haut, Hirnhaut, zentrales Nervensystem). Der extrapulmonale Befall kann isoliert auftreten, aber auch hier ist eine Streuung der Erreger oder Miliartuberkulose möglich.
Kommt es in der Lunge durch Einschmelzen des Entzündungsherdes zur Ausbildung von Hohlräumen (Kavernen) mit Anschluss an einen ableitenden Bronchus, so kann erregerhaltiges Material in die Umgebung gelangen - es liegt eine offene, ansteckungsfähige Tuberkulose vor. Aus den Kavernenwänden kann sich in seltenen Fällen später ein so genanntes Kavernenwandkarzinom entwickeln. Werden beim Einschmelzungsprozess Blutgefäße verletzt, kann Bluthusten bis hin zu massiven Lungenblutungen auftreten. Bei ausgedehntem Lungenbefall und narbigen Veränderungen nach Ausheilung kann es zu Atemnot (respiratorischer Insuffizienz) und zu einer Rechtsherzbelastung (Cor pulmonale) kommen.
Wird die Tuberkulose jedoch rechtzeitig erkannt und gut behandelt, heilt sie in aller Regel folgenlos aus. Eine gute Abwehrlage kann zum Tuberkulom führen. In der Regel hat der betroffene Patient keine Beschwerden, Tuberkulome sind aber für den Arzt schwierig zu diagnostizieren.