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Neuer Tuberkulose-Impfstoff mit unklarer Schutzwirkung

Ein neuer Impfstoff gegen Tuberkulose soll die Zahl der Lungentuberkulosen bei latent mit M. tuberculosis infizierten Personen (die offenbar Kontakt mit dem Erreger hatten, aber noch nicht an Tuberkulose erkrankt sind) in den ersten 3 Jahren halbieren. Wie gut die Schutzwirkung am Ende wirklich sein wird, ist allerdings noch unklar.

Ein neuer Tuberkulose-Impfstoff soll nach zweimaliger Injektion in den Muskel die Zahl der Lungentuberkulosen bei latent mit M. tuberculosis infizierten Personen (die offenbar Kontakt mit dem Erreger hatten, aber noch nicht an Tuberkulose erkrankt sind) in den ersten 3 Jahren halbieren (siehe New England Journal of Medicine, Online-Veröffentlichung am 29.10.19). Die kürzlich auf einer Tagung in Indien vorgestellten Studienergebnisse nähren die Hoffnung auf einen Ersatz des unzuverlässigen und in die Jahre gekommenen BCG-Impfstoffs.

Unter allen Krankheitserregern ist M. tuberculosis für die meisten Todesfälle verantwortlich. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr 1,6 Millionen Menschen an einer Tuberkulose. Die Zahl der Erkrankungen wird auf 10 Millionen geschätzt. Ein Drittel der Menschheit infiziert sich im Lauf des Lebens mit M. tuberculosis. Ob dies immer zu einer latenten Infektion führt, wurde zwar kürzlich in einem Beitrag im British Medical Journal (Online-Veröffentlichung am 24.10.19) bezweifelt. Unstrittig dürfte allerdings sein, dass ein Impfstoff, wenn er denn effektiv ist, viele Menschenleben retten könnte.

Die von Calmette und Guérin Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelte BCG-Vakzine ist heutzutage umstritten. Ihre Effektivität wurde niemals in modernen Studien untersucht. Die bei der Impfung erfolgte Infektion mit dem abgeschwächten Erreger kann die Diagnose einer späteren Tuberkulose erschweren. Zu den Nebenwirkungen gehört eine Blasenentzündung (weshalb die BCG-Vakzine bei Patienten mit Blasenkarzinom in die Blase verabreicht wird, um die Immunreaktion gegen den Tumor zu verstärken).

Der Hersteller des BCG-Impfstoffs hat nun in den letzten beiden Jahrzehnten eine moderne Vakzine (namens M72/AS01E) entwickelt, die nicht aus abgeschwächten Lebendviren besteht, sondern aus einem Fusionsprotein aus zwei M. tuberculosis-Antigenen (Mtb32A und Mtb39A). Zur Verstärkung der Schutzwirkung wurde der Impfstoff mit dem einem Adjuvans-System (namens AS01 E) kombiniert, das bereits bei dem (mäßig wirkenden) Malaria-Impfstoff RTS,S verwendet wird. Ein ähnliches Adjuvans (AS04) ist im HPV-Impfstoff Cervarix enthalten.

Der neue Tuberkulose-Impfstoff wurde nun an 3.575 Personen aus Kenia, Südafrika und Sambia erprobt. Bei den Teilnehmern (Erwachsene im Alter von 18 bis 50 Jahren) war ein Gamma-Interferon-Test positiv ausgefallen. Dies bedeutet, dass ihr Immunsystem bereits Kontakt zu M. tuberculosis hatte, was als „latente“ Infektion gedeutet wird.

Die Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei intramuskuläre Injektionen mit der Vakzine M72/AS01E oder Placebo verteilt (randomisiert). Die beiden Impfungen fanden im Abstand von einem Monat in der Zeit zwischen August 2014 und November 2015 statt. Verzeichnet wurde die Zahl der Lungentuberkulosen in den ersten drei Jahren nach den Impfungen (wobei Erkrankungen im ersten Monat nicht gezählt wurden). Eine Infektion musste durch den Nachweis von M. tuberculosis im Sputum bestätigt werden. Gefordert wurde außerdem ein negativer HIV-Test.

Wie das Team um Olivier van der Meeren von GSK Belgien in Wavre (bei Brüssel) berichtet, ist es in der dreijährigen Nachbeobachtungszeit bei 13 der 1.626 geimpften Teilnehmer zu einer offenen Lungentuberkulose gekommen gegenüber 26 Erkrankungen bei 1.663 Teilnehmern der Placebogruppe. Dies ergibt eine Häufigkeit (Inzidenz) von 0,3 versus 0,6 Erkrankungen auf 100 Personenjahre und eine Impfstoffwirksamkeit von 49,7 % mit einem recht weiten 95-%-Konfidenzintervall (von 2,1 bis 74,2). Das 90-%-Konfidenzintervall war mit 12,1 bis 71,2 % etwas enger. Es ist demnach unklar, wie gut die Schutzwirkung am Ende sein wird.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt vom 30.10.19