Bei COPD kommt es zu einer chronischen Entzündung der Atemwege. Bestimmte Enzyme, Proteinkinasen genannt, regulieren den Entzündungsprozess. Sie werden indirekt durch das Rauchen, durch COPD-charakteristische Entzündungsstoffe und durch Atemwegsinfektionen überaktiviert. Als Folge produziert der Körper noch mehr Entzündungsstoffe, was entscheidend zum Fortschreiten der Lungenerkrankung beiträgt. Einen erfolgversprechenden Ansatz für eine neue COPD-Therapie bieten möglicherweise sog. Narrow Spectrum Kinase Inhibitors (NSKIs), die die Proteinkinasen hemmen.
Forscher um Privatdozent Dr. Jürgen Knobloch von der pneumologischen Klinik am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum und Prof. Dr. Andrea Koch (früher ebenfalls am Bergmannsheil, heute an der Universitätsklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung) haben mit Kollegen einer Pharmafirma und Prof. Dr. Erich Stoelben aus der Lungenklinik Köln-Merheim zwei NSKIs (RV1088 und RV568) identifiziert, die an Zellkulturen getestet wurden (siehe Journal of Allergy and Clinical Immunology, Online-Veröffentlichung am 25.10.2017). Deren Wirksamkeit verglichen sie mit der eines herkömmlichen Kortikosteroids und verschiedenen Single Protein Kinase Inhibitors, die ebenfalls als Wirkstoffkandidaten in Betracht kommen. Ergebnis: Die NSKIs waren effektiver darin, die Produktion von Entzündungsstoffen zu bremsen, als die Vergleichssubstanzen.
Mit den Single Protein Kinase Inhibitors waren zuvor auch schon erste Erfolge in präklinischen Modellen erzielt worden. Diese hemmen selektiv einzelne Proteinkinasen oder eine Familie von Proteinkinasen. „Es deutet sich aber an, dass der Effekt in der klinischen Anwendung nicht ausreichen würde“, erläutert Jürgen Knobloch, Laborleiter der pneumologischen Klinik des Bergmannsheil. „Denn bei einer so spezifischen Hemmung könnten andere Proteinkinasen die Entzündungsregulierung übernehmen.“ Deshalb testete das Team neue Wirkstoffkandidaten, die nicht nur auf eine Proteinkinase oder eine Familie von Proteinkinasen abzielen, sondern auf ein bestimmtes Spektrum von mehreren Proteinkinasen-Familien. Im Forschungslabor der pneumologischen Klinik im Bergmannsheil erprobten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wirkstoffe dann an kultivierten primären glatten Atemwegmuskelzellen von COPD-Patienten.
„Unsere Studie zeigt, dass NSKIs vielversprechende Kandidaten sind, um dringend benötigte anti-entzündliche Therapien bei COPD zu entwickeln“, berichtet Jürgen Knobloch. Er und seine KollegInnen sehen deshalb ein großes Potenzial, die Erkenntnisse aus dem präklinischen Modell in die Anwendung am Patienten zu übertragen.
Nach Expertenschätzungen leiden derzeit 11,7 Prozent der Weltbevölkerung an der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Sie entwickelt sich meist aus einer chronischen Bronchitis und wird hauptsächlich durch das Tabakrauchen verursacht. Aktuelle Therapien können Symptome lindern und das Fortschreiten der COPD verlangsamen, aber nicht stoppen. Abgesehen von einem Präparat, das bei sehr schwerer COPD bei einer bestimmten Gruppe von Patienten eingesetzt werden kann, gibt es derzeit keine weiteren ursächlich Therapien, die nicht auf Steroiden beruhen und an der Bekämpfung der Entzündung ansetzen, welche zentral für das Fortschreiten der Krankheit ist. Verfügbare anti-entzündliche Wirkstoffe wie inhalative Kortikosteroide helfen bei anderen chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen und können anteilig verhindern, dass sich die Symptome akut verschlimmern. Allerdings ist eine Therapie mit ihnen derzeit nur in Kombination mit bronchien-erweiternden Medikamenten empfohlen und bei Patienten, bei denen die Symptome sich häufig verschlechtern.
Die in der Studie identifizierten Substanzen werden aktuell in einem klinischen Programm von einer Pharmafirma für die Anwendung bei Patientinnen und Patienten weiterentwickelt.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum