Mit zunehmendem Alter leiden vor allem Männer während des Schlafens unter wiederholten Atemstillständen (sog. Apnoen), weil ihre Muskeln im Rachen-Zungen-Raum zusehends erschlaffen, was zu einem wiederkehrenden Verschluss der oberen Atemwege beim Atmen führt (sog. obstruktive Schlafapnoe = OSA). Für OSA-Patienten, die mit der bisherigen Standard-Therapie (namens CPAP) nicht zurechtkamen, gibt es jetzt eine neue Therapieoption, die möglicherweise besser für sie geeignet ist: Die sog. Nervus-hypoglossus-Stimulation der oberen Atemwege, auch Zungenschrittmacher genannt. Darauf machen die Lungenärzte der Deutschen Lungenstiftung aufmerksam.
Welche Auswirkungen eine unbehandelte Schlafapnoe haben kann
Bei der OSA wechseln sich Atemstillstände, die zwischen 10 bis zu 90 Sekunden andauern und pro Nacht hundertfach auftreten können, mit heftigem Luftschnappen und lautem Schnarchen ab. Denn die Atempausen verursachen einen Sauerstoffmangel im Gehirn, den der Körper mit einer so genannten Weckreaktion durch Steigerung der Atembemühungen unter Erhöhung der Muskelspannung, des Blutdrucks und der Herzfrequenz zu kompensieren sucht. „Dieser häufige Wechsel zwischen Atemstillständen und Luftschnappen verhindert den normalen Schlafablauf, verringert die Erholsamkeit des Schlafes und führt so zu einer erhöhten Tagesmüdigkeit mit weiteren Einbußen der Lebensqualität, auf lange Sicht aber auch zu Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle“, warnt Prof. Dr. Ulrich Koehler, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums des Universitätsklinikums Marburg und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Lungenstiftung.
Wie das neue Verfahren im Vergleich zur Standard-Therapie funktioniert
Die bisherige Standardtherapie der obstruktiven Schlafapnoe ist die sog. CPAP-Methode (abgekürzt aus dem Englischen continuous positive airway pressure) – also eine kontinuierliche Überdruckbeatmung, die über eine Nasen- oder Mund-Nasen-Maske erfolgt und dem Patienten während des Schlafens stetig Raumluft mit geringem Überdruck zuführt und auf diese Weise – quasi druckgeschient – dessen obere Atemwege beim Ein- und Ausatmen offenhält. Allerdings gibt es Patienten, die das nächtliche Schlafen mit einer Maske auf Dauer nicht akzeptieren. Für diese bietet sich jetzt eine mögliche Therapiealternative an: Der so genannte Zungenschrittmacher, der die erschlafften Zungenmuskeln über einen gezielten Nervenimpuls (des Nervus hypoglossus) stimuliert und somit verhindert, dass die oberen Atemwege während der Atmung kollabieren. Dazu wird dem Patienten ein Gerät eingesetzt bestehend aus einem Sensor, der die Atemzüge misst und damit Atempausen registriert, und einem Pulsgenerator, der diese Atmungsdaten verarbeitet und für die Nervenstimulation sorgt, die den Zungenmuskel aktiviert. Diese auch als „Nervus-hypoglossus-Stimulation der oberen Atemwege“ bezeichnete Therapieform erreicht nachweislich vergleichbar gute Therapieeffekte wie die CPAP: Die Anzahl der Atemstillstände wird verringert, es kommt zu einer besseren Sauerstoffversorgung der Patienten, daraus ergibt sich weniger Tagesschläfrigkeit, mehr Lebensqualität und ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen - und zwar auch auf lange Sicht, wie jetzt eine aktuelle Studie über einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren hinweg belegt hat. Unerwünschte Nebenwirkungen sind außerdem selten. „Lungenärzte, Schlafmediziner und HNO-Ärzte sollten sich dieser neuen Therapieoption also durchaus bewusst sein. Allerdings ist es aus Sicht der Schlafmediziner und Pneumologen, die ja primär mit Schlafapnoe-Patienten konfrontiert werden, wichtig darauf hinzuweisen, dass eine gewissenhafte Patientenselektion unter Beachtung der Ein-und Ausschlusskriterien erfolgen muss“, erläutert Prof. Koehler.
Warum das neue Verfahren nicht für alle Patienten geeignet ist
Mehr als die Hälfte der Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe sind auch fettleibig. „Vermehrte Fettablagerungen im Rachen- und Zungenbereich begünstigen allerdings eine Apnoe. In solchen Fällen ist zunächst einmal eine deutliche Gewichtsreduktion angezeigt“, erklärt Prof. Koehler. „Außerdem handelt es sich bei der Nervus-hypoglossus-Stimulation um ein invasives Verfahren, bei dem ein Zungenschrittmacher eingesetzt wird, was sich nur mit einem chirurgischen Eingriff wieder rückgängig machen lässt. Deshalb ist für die Auswahl geeigneter Patienten eine möglichst sichere Vorhersage des Therapieerfolgs wünschenswert. Daher sollte vor Einsatz der Nervus-hypoglossus-Stimulation in jedem Falle eine spezielle Untersuchung des Patienten (sog. medikamentös induzierte Schlafvideoendoskopie) erfolgen, um das Verschlussmuster der oberen Atemwege genauer beurteilen zu können. Ein konzentrischer bzw. vollständiger Kollaps auf Höhe des Weichteilgaumens wäre zum Beispiel ein Ausschlusskriterium, weil dies den Therapieeffekt erheblich beschneiden würde“, betont Prof. Koehler. Auch wenn von der Nervus-hypoglossus-Stimulation zunächst nur eine kleines Patientenkollektiv profitieren dürfte, handelt es sich nach Meinung der Lungenärzte um eine sehr vielversprechende Therapieoption, die sich in Zukunft stärker etablieren könnte - insbesondere für Patienten, die andere Verfahren wie CPAP oder Unterkiefer-Protrusions-Schienen nicht akzeptieren.
Studien:
- Otolaryngology - Head and Neck Surgery 2016, Band 154/1: Seite 181-188
- New English Journal of Medicine 2014, Band 370, Seite: 170-17
Quelle: äin-red
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