Alltag auf der Intensivstation: Um einen Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) fachgerecht und komplikationslos vom Rücken auf den Bauch umzulagern, sind durchschnittlich fünf Personen im Einsatz. Die Maßnahme hat sich bei schwerkranken COVID-19-Patienten bewährt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Bauchlagerung sogar besonders erfolgreich. Das hat Jenny Tropmann, Krankenpflegerin am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen in ihrer Bachelorarbeit dargestellt (siehe Intensiv 2021, Band 29/05, Seite: 242-246).
„Schwerkranke Patientinnen und Patienten benötigen hochkomplexe Pflegeprozesse“, berichtet die 24-Jährige. „Das war schon immer so, ist aber erst durch die SARS-CoV-2-Pandemie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten.“ Auf der COVID-19-Intensivstation des HDZ NRW werden derzeit 4 Schwerkranke pflegerisch und medizinisch versorgt. Die Pflegekräfte überwachen Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung. Sie sind mit der aufwendigen Medizintechnik – darunter extrakorporale Lungenunterstützungssysteme (ECMO) - vertraut, bedienen Beatmungs- und Infusionsgeräte und setzen bei Nieren- oder Leberversagen entsprechende Ersatzverfahren ein.
„Drehen Sie einmal einen mit diesen Geräten ausgestatteten Patienten in die Seitenlage oder die empfohlene Bauchlage“, fordert Jenny Tropmann auf sich vorzustellen. Dazu brauche es ein perfekt geschultes Team, eine gute Vorbereitung der erforderlichen Lagerungsmaterialien zur Dekubitusprophylaxe, um ein Wundliegen zu verhindern - einschließlich der Sicherung der verschiedensten Gerätschaften. Und natürlich klar geregelte Absprachen untereinander. Auch auf Körpergröße und Gewicht der Patienten müsse bei der Umlagerung geachtet werden. „Dieses Prozedere routinemäßig ohne Komplikationen zu beherrschen, ist eine äußerst anspruchsvolle Pflegeintervention.“
Mit der Bauchlagerung hat sich die Krankenpflegerin eingehender im Rahmen ihres berufsbegleitenden Studiums beschäftigt. Anhand einer systematischen Untersuchung der zum Thema vorhandenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat sie in ihrer Übersichtsarbeit nachgewiesen, dass eine Bauchlagerung das Sterblichkeitsrisiko insgesamt im Vergleich zur Rückenlage verringern kann, - sofern bestimmte Kriterien beachtet werden.
Warum ist die Bauchlagerung so sinnvoll und wird bei akutem Lungenversagen ausdrücklich empfohlen? „Auf dem Bauch liegend verteilt sich der über die Beatmungsgeräte zugeführte Sauerstoff besser und gleichmäßiger in der Lunge“, antwortet Tropmann. „Die Lunge wird entlastet, Belüftung und Durchblutung bessern sich auf diese Weise.“
Mehr als zehn Prozent aller Intensivpatienten leiden an einem akuten Lungenversagen. Bei einem schweren Verlauf verstirbt fast die Hälfte der Betroffenen. Mit ihrer Forschungsarbeit belegt Jenny Tropmann, dass gerade bei dieser Patientengruppe eine Bauchlagerung das Sterblichkeitsrisiko um bis zu 15 Prozent senken kann. Die Methode ist umso wirksamer, je früher sie angewandt wird. „Zudem sollten die Patienten möglichst lange auf dem Bauch gelagert werden, die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften empfehlen sogar 16 Stunden.“
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Arbeit auf der Intensivstation? „In einem Klinikum wie dem HDZ NRW sind die Spezialkenntnisse der Mitarbeitenden und das Erfahrungswissen aufgrund der hohen Routine im Alltag auf den Stationen enorm groß“, berichtet die Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Um Patienten bestmöglich zu versorgen, ist es wichtig, unsere pflegerischen Maßnahmen regelmäßig zu hinterfragen und zu überprüfen. Nur so können wir das, was wir tun, auch nachhaltig begründen, wissenschaftlich belegen und damit auch weiter verbessern, wenn das notwendig erscheint.“
„Das ist ein hochaktuelles und sehr schönes Beispiel für unser Konzept der evidenzbasierten Pflege, das wir Schritt für Schritt im gesamten Klinikum umsetzen“, kommentiert Pflegedirektor Christian Siegling, der mit diesem Qualitätsanspruch ein besonderes Augenmerk auf die Akademisierung der Pflegeberufe richtet. „Der Anspruch an Medizin und Pflege in einem Spezialklinikum ist zu Recht hoch. Mit einem entsprechenden Weiterbildungsangebot und gezielten Einarbeitungskonzepten in kollegialen Teams sprechen wir daher alle Fachkräfte an, die mit einem solchen Qualitätsanspruch bei uns arbeiten möchten“, erklärt er. „Und natürlich sind Pflegende mit einem akademischen Grad oder auf dem Weg zu einem Studienabschluss ebenso herzlich willkommen!“
Quelle: Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen