Ein Team von Informatikern der Universität Konstanz um Prof. Dr. Daniel Keim, Prof. für Datenanalyse und Visualisierung, hat ein Visualisierungs-Tool mit dem Namen „Coronavis“ (kurz für „Corona Visualisierung“) entwickelt. Das Programm entstand auf Initiative von Prof. Dr. Oliver Deussen (Visual Computing) an der Universität Konstanz und Prof. Dr. Hans-Joachim Kabitz, Chefarzt (Internist, Pneumologe) am Klinikum Konstanz. Diese Software ermöglicht es Ärzten, einen Überblick über die Intensivbetten-Kapazitäten deutscher Krankenhäuser zu erhalten.
Bislang gibt es lediglich das DIVI-Intensivregister – eine Website, die Ende Februar 2020 von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dem Robert Koch-Institut (RKI) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ins Leben gerufen wurde. Auf dieser Online-Plattform können freie Intensivbetten mit und ohne Beatmungsplätzen in allen Kliniken Deutschlands registriert und abgefragt werden. Dabei wird jedoch nicht die tatsächliche Anzahl der verfügbaren Intensivbetten angegeben, sondern nur Kapazitäten wie „verfügbar“, „begrenzt“ oder „ausgelastet“ ausgewiesen.
Das an der Universität Konstanz entwickelte „Coronavis“ besticht zunächst durch die einfache Handhabung und die Anzeige entsprechender Daten in einer Deutschlandkarte. „Das gibt es so bislang nicht“, berichtet Prof. Dr. Daniel Keim. „Mit Coronavis können wir Ärztinnen und Ärzte in die Lage versetzen, bundesweit genaue Intensivbetten-Kapazitäten abzufragen. Patienten könnten so beispielsweise in nahe, oder entferntere Krankenhäuser verlegt werden – je nach akutem Bedarfsfall.“ Voraussetzung hierfür wäre der uneingeschränkte Zugriff auf die Daten des DIVI-Intensivregisters.
Zudem werden erwartete Änderungen der verfügbaren Betten angezeigt. Die Wissenschaftler haben in das Tool eine Warnfunktion integriert, die bei möglichen Engpässen ausgelöst werden kann. „Gerade in diesem Punkt wäre ein Austausch mit weiteren Experten wichtig, um zu definieren, wann das System sinnvollerweise eine Warnung auslösen soll.“
Das „Coronavis“-Tool ermöglicht darüber hinaus, Krankenhaus-Kapazitäten mit regionalen Covid-19-Fallzahlen und Todesfällen zu verbinden. Hierbei werden auch Veränderungen der Fallzahlen über die Zeit angezeigt. Durch die Kombination dieser verschiedenen Daten lassen sich bereits möglichst frühzeitig Engpässe bei den Krankenhäusern voraussehen und entsprechende Maßnahmen (wie etwa Verlegung von Patienten oder Aufstockung von Beatmungsgeräten) könnten rechtzeitig ergriffen werden.
Im Überlastungsfall könnte durch Coronavis eine zentral organisierte Verteilung von Covid-19-Patienten auf freie Krankenhäuser erfolgen, wie es seitens deutscher Intensivmediziner jüngst gefordert wurde. Dabei gilt zu verhindern, dass es in Deutschland zu einer vergleichbaren Überlastungssituation wie etwa in Norditalien kommt.
„In enger Abstimmung mit Prof. Dr. Kabitz aus dem Klinikum Konstanz haben wir uns an die Entwicklung des Visualisierungs-Tools gemacht. Wir freuen uns, dass wir unsere Expertise im Bereich Datenanalyse und Visualisierung in der aktuellen Corona-Krise einbringen können. Gerne möchten wir in einem nächsten Schritt unser Programm Epidemiologen vorstellen, um noch weitere Adaptionen durchzuführen. Es sollte jetzt oberstes Ziel sein, schnellstmöglich für Deutschland eine integrierte Analyseanwendung bereitzustellen. Mein Team und ich sind zu jeder Zusammenarbeit bereit, um dies sicherzustellen“, betont Prof. Dr. Keim, Professor für Datenanalyse und Visualisierung an der Universität Konstanz
Ähnlich wie beim DIVI-Intensivregister unterscheidet „Coronavis“ zwischen drei Intensivbetten-Kategorien: „Low Care“ für grundlegende Intensivmaßnahmen ohne invasive Beatmungsmöglichkeit, „High Care“ für erweiterte Intensivmaßnahmen (Beatmungsbetten) und „ECMO“ für Beatmungsplätze mittels Extrakorporaler Membranoxygenierung, einem Verfahren, bei dem Patienten über das Blut Sauerstoff zugeführt wird.
Im Ernstfall wird schnell entschieden werden müssen, ob eine Verteilung oder Verlegung von Patienten erforderlich ist. Hierfür können auch Zusatzinformationen, wie etwa Helikopterlandeplätze oder ein Direktkontakt zum jeweiligen Krankenhaus hilfreich sein, die sich durch das Analyse-Tool der Universität Konstanz ebenfalls anzeigen lassen.
Um die Komplexität zu verringern und Regionen vergleichen zu können, ist es zudem möglich, die Bettenkapazitäten nach ganzen Bundesländern, Regierungsbezirken oder Landkreisen darzustellen.
Das Visualisierungs-Tool der Universität Konstanz ist sofort einsatzfähig und könnte bei uneingeschränktem Zugriff auf das DIVI-Intensivregister sofort auch die Anzahl der belegten und freien Intensivkapazitäten anzeigen. Anpassungen könnten nach Rücksprache mit unterschiedlichen Fachleuten wie Intensivmedizinern und Epidemiologen sukzessive durchgeführt werden. Das Programm lässt sich bei Bedarf auch problemlos auf andere Länder zuschneiden, anwenden und könnte so als Grundlage für internationale Kooperationen in der Bewältigung der Corona-Krise dienen.
Quelle: Universität Konstanz