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Wie es bei Covid-19 zu einer massiven Verstopfung der Blutgefäße kommt

Bei einem schweren Verlauf von Covid-19 scheinen bestimmte immunologisch bedingte Vorgänge, die eine sog. Immunthrombose hervorrufen, das Coronavirus so gefährlich zu machen.

Das Coronavirus hat bis Mitte 2020 weltweit mehr als 600.000 Tote gefordert. Die Prozesse im Körper, die eine Infektion mit SARS-CoV2 so gefährlich werden lassen, sind bislang nicht vollständig geklärt. Ein Forscherteam um Dr. med. Moritz Leppkes von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat jetzt herausgefunden, dass bei Covid-19 bestimmte weiße Blutkörperchen, die neutrophilen Granulozyten, besonders stark aktiviert werden, sich zusammenballen und Netze oder sogenannte Neutrophile Extracellular Traps (NETs) in den Blutgefäßen der Lunge bilden (siehe EBioMedicine by The Lancet, Online-Veröffentlichung am 1.8.2020).

Solche NETs werden bei verschiedenen entzündlichen Lungenerkrankungen im Übermaß gebildet – wie z.B. bei Mukoviszidose, Asthma und exazerbierter COPD - und können nicht von Fresszellen (Makrophagen) beseitigt werden. In der Folge verstopfen die Blutgefäße – und zwar nicht nur durch klassische Blutgerinnungsprozesse, sondern auch durch diese immunologisch bedingten Vorgänge, weshalb die Forschenden hier zusätzlich von einer Immunthrombose sprechen. Die Folge: Die Sauerstoffversorgung beziehungsweise der Gasaustausch des Körpers ist nicht länger gewährleistet, was schwere Krankheitsverläufe nach sich zieht.

Die verstärkte Zusammenballung von neutrophilen Granulozyten und die darauffolgende NET-Bildung werden bei Covid-19 vermutlich durch die virale Schädigung des Endothels, der Auskleidung der Blutgefäße, hervorgerufen. Die Endothelzellen, genau wie die Zellen der Lungenbläschen, sind reich an ACE2, einem Rezeptor für das Coronavirus. Das Virus dockt an die Zellen an und schädigt sie. Die Endothel-Schädigung wiederum zieht neutrophile Granulozyten an, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Bei einer SARS-CoV2-Infektion - das hat das Team um Dr. Leppkes herausgefunden - bildet sich vermehrt eine spezielle Form dieser Immunzellen: Neutrophile Granulozyten geringer Dichte, die vermehrt zur NET-Bildung neigen und auch bei Autoimmunprozessen eine Rolle spielen. Bei Autoimmunvorgängen richtet sich das Immunsystem gegen die eigenen Körperzellen.

All diese Mechanismen führen – neben klassischen Blutgerinnungsprozessen und durch Blutplättchen hervorgerufenen Thrombosen – zu einer Verstopfung insbesondere der kleinen und kleinsten Blutgefäße der Lunge. Bis zu einem gewissen Grad ist die NET-Bildung bei Entzündungen zwar ein normaler Teil der Abwehr von Krankheitserregern, doch bei Covid-19 ist dieser Vorgang nicht auf einen Bereich eines Organs begrenzt, sondern kommt in vielen Blutgefäßen – auch verschiedener Organe – vor. Bedrohlich daran ist vor allem, dass sich die Mikro-Gefäße der Lungen rasch verschließen.

Ihre Erkenntnisse gewannen die Forscher unter anderem durch die immunhistochemische Analyse von Autopsiematerial sowie Blutproben von Covid-19-Patienten, die sie mit Proben von Gesunden und weniger schwer Erkrankten verglichen.

Einen möglichen Behandlungsansatz bei schweren Covid-19-Fällen sehen die Forscher darin, die Zusammenballung von neutrophilen Granulozyten zu hemmen und die vermehrte NET-Bildung zu verhindern. Dies könnte etwa durch Dexamethason geschehen, das Zellaggregationen hemmt, sowie durch Wirkstoffe, die der NET-Bildung entgegenwirken, zum Beispiel indem sie bestimmte Enzyme (PAD4-Enzyme) angreifen. Die FAU-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler beobachteten auch eine bislang wenig beachtete Funktion des Blutgerinnungshemmers Heparin, der den Abbau von NETs unterstützt und so die Blutzirkulation verbessert.

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg