Die Krankheitsverläufe bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind sehr unterschiedlich und hängen von individuellen Faktoren, wie etwa Vorerkrankungen oder Alter ab. Die Beurteilung des individuellen Risikos für einen schweren Krankheitsverlauf stellt an Ärztinnen und Ärzte somit hohe Anforderungen. Jetzt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und der LMU München ein neues Score-System (IKKA) zur Einschätzung des individuellen Risikos für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung vorgestellt (siehe ASU, Zeitschrift für medizinische Prävention vom 20.10.2020).
IKKA ist eine Abkürzung aus den folgenden vier Kategorien - Immunsuppression, Krankheitsschwere bestehender Vorerkrankungen, Komorbiditäten/Risikofaktoren nach RKI und Alter. Diese Kategorien bewertet der IKKA-Score nach einem überschaubaren und leicht verständlichen Punktesystem. Je nach Ausprägung der Risikofaktoren werden in jeder Kategorie Punkte vergeben. Anhand der Gesamtpunktzahl kann dann ein Abgleich mit der sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergebenden individuellen Infektionsgefährdung der Beschäftigten erfolgen und risikoadaptierte Einsatzmöglichkeiten für besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesucht werden. Das neue Score-System soll somit eine Hilfestellung zu einer einheitlichen Risiko-Abschätzung bieten. In Kenntnis des individuellen Scores kann dann in einem zweiten Schritt beurteilt werden, welche beruflichen Einsatzmöglichkeiten bestehen.
Betriebe und Unternehmen haben eine Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten, insbesondere für jene, die einer Risikogruppe angehören. Eine Beurteilung, ob ein erhöhtes Schutzbedürfnis vorliegt, setzt fundierte Kenntnisse des individuellen Gesundheitszustands sowie der jeweiligen Bedingungen am Arbeitsplatz voraus. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermitteln die Arbeitgeber mit Unterstützung der Betriebsärztinnen und -ärzte die am Arbeitsplatz objektiv bestehenden gesundheitlichen Belastungsfaktoren. Hierzu zählt auch die Infektionsgefährdung.
Mit dem IKKA-Score haben die Erlanger und Münchner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun ein neues standardisiertes Instrument entwickelt, das die Risikoeinschätzung des Arztes/der Ärztin für einen schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19 unterstützt. Das Verfahren wurde in erster Linie für die Anwendung im Arbeitsschutz konzipiert und dient als eine konkrete Entscheidungshilfe im Praxisalltag.
Die Stärke des neuen IKKA-Scores liegt in der Vereinheitlichung der Risikobeurteilung unter möglichst großer Übersichtlichkeit und geringem Zeitaufwand sowie in der Berücksichtigung bereits vorliegender Empfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). „Bislang gab es keine einheitliche Vorgehensweise bei der individuellen Risikobestimmung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Mit der Entwicklung des IKKA-Scores ist es uns gelungen, Ärztinnen und Ärzten eine Entscheidungshilfe für die Beurteilung der individuellen Gefährdung durch SARS-CoV-2 zur Verfügung zu stellen und somit einen Beitrag zum Schutz von vulnerablen Gruppen am Arbeitsplatz zu leisten“, kommentiert Prof. Hans Drexler, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Universität Erlangen-Nürnberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM).
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM)