Stammzellen gewinnen zunehmend an Bedeutung bei der Entwicklung von neuen Therapien gegen Lungenerkrankungen. Darauf machen die Lungenärzte der Deutschen Lungenstiftung aufmerksam unter Berufung auf verschiedene, aktuell veröffentlichte Studienergebnisse.
Beispielsweise sind in Form eines Nasensprays verabreichte Mesenchymale Stammzellen (MSC) nachweislich gegen drei Schlüsselsymptome von Asthma wirksam: In Tierversuchen lindern sie Entzündungsprozesse in den Atemwegen, können das sog. airway remodeling (strukturelle Veränderungen der Atemwege aufgrund anhaltender Entzündungen) wieder rückgängig machen und die Überempfindlichkeit (Hyperreagibilität) der Atemwege komplett aufheben (siehe Faseb Journal, Online-Vorabveröffentlichung am 16.6.2017). „Diese Stammzelltherapie könnte künftig eine neue Behandlungsmöglichkeit für Asthma-Patienten darstellen, welche die herkömmliche Asthma-Therapie mit Corticoiden („Cortison“) nicht gut vertragen“, erläutert Prof. Adrian Gillissen, Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung und Direktor der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie von der Ermstalklinik Reutlingen-Bad Urach unter Berufung auf die Studienergebnisse von Forschern der Monash University in Clayton bei Melbourne, Australien.
Was können Stammzellen?
Unter Stammzellen versteht man unreife Zellen, die sich vermehren und zu ausgereiften, erwachsenen Zellen entwickeln können, um z. B. Schäden im menschlichen Körper zu reparieren. Mesenchymale Stammzellen (MSC) sind z. B. Vorläuferzellen von Bindegewebe (wie Knochen, Knorpeln, Muskeln, Bändern, Sehnen und Fettgewebe). Andere Stammzelltypen, mit denen bereits experimentiert wurde, konnten krankhafte Veränderungen der Lunge dagegen nicht rückgängig machen. In Zukunft wollen die australischen Forscher die Wirkung einer MSC-Kur mit der von Corticoiden vergleichen und herausfinden, ob sich die beiden Therapieformen in Kombination ergänzen. Außerdem sind klinische Studien mit MSC geplant.
Insbesondere Stammzellen aus menschlichen Lungen, die relativ problemlos und nicht-invasiv (bronchoskopisch) gewonnen und dann im Labor zu therapeutischen Zwecken in großer Zahl herangezüchtet werden können, eignen sich ganz offensichtlich zur Behandlung von Lungenerkrankungen: „Sog. lung spheroid cells zeigen eine beeindruckende, regenerative Wirkung gegen Lungenfibrose bei Mäusen, welche MSC - die ja auch nicht aus Lungen stammen - nicht aufweisen“, betont Prof. Gillissen unter Berufung auf Studien von US-Forschern der UNC School of Medicine und North Carolina State University (siehe Respiratory Research, Online-Veröffentlichung am 30.6.2017). „Vor einer Anwendung beim Asthma oder bei der Lungenfibrose müssen allerdings zukünftige Studien zeigen, dass sich die an Tieren erhobenen, vielversprechenden Ergebnisse ohne größere Nebenwirkungen auf den Menschen übertragen lassen“, so Prof. Gillissen.
Was ist eine Lungenfibrose?
Bei einer Lungenfibrose kommt es nach chronischen Entzündungen des Lungenbindegewebes zu einem Umbau in Binde- und Narbengewebe, was insbesondere zu einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes zwischen den Lungenbläschen und den sie umgebenden Blutgefäßen führt, das dann verhärtet und vernarbt (fibrosiert). Dies hat bei der Atmung zur Folge, dass der Sauerstoff schlechter in die Blutgefäße gelangen kann, was zu einer Störung des Gasaustauschs (Diffusionsstörung) und einer eingeschränkten Sauerstoffaufnahme führt. Zudem verliert die Lunge ihre Dehnbarkeit und versteift zusehends, so dass mehr Kraft für die Dehnung der Lungen und damit mehr Atemarbeit aufgewendet werden muss, vor allem beim Einatmen. So kommt es zu einem zunehmenden Verlust der Lungenfunktion. Bei fortschreitender Krankheit wird immer mehr Organgewebe durch funktionsloses, vernarbtes Gewebe ersetzt. Diese narbigen Veränderungen am Gerüst des Lungengewebes können nicht mehr heilen und verbleiben dauerhaft.
Was können „lung spheroid cells“?
Wie die US-Forscher berichten, sammeln sich die lung spheroid cells nach intravenöser Verabreichung an Mäusen größtenteils in den Lungen der Tiere an. In einer zweiten Studie konnten sie bei Ratten, die an Lungenfibrose erkrankt und dann mit lung spheroid cells behandelt worden waren, deutlich weniger Entzündungsprozesse und weniger fibrosierende Veränderungen nachweisen, im Vergleich zu unbehandelten Ratten mit Lungenfibrose. Bemerkenswerterweise riefen die Spenderzellen – selbst wenn sie fremder Herkunft waren – keinerlei Immunreaktion beim Empfänger hervor. Das heißt, die Behandlung war ebenso wirksam, wenn die Stammzellen von den Lungen eines unverwandten Vertreters derselben Art stammten wie wenn sie direkt aus den Lungen der Stammzell-Empfänger gewonnen wurden (siehe Stem Cells Translational Medicine, Online-Veröffentlichung am 7.8.2017).
Künftig beabsichtigen die US-Forscher die regenerative Wirkung der lung spheroid cells auch am Menschen zu testen, wobei sie die Zellen dann direkt von Patienten mit Lungenfibrose gewinnen wollen, um Immunabwehrrisiken zu minimieren. „Theoretisch sollte es nach Einschätzung der Forscher aber auch möglich sein, die lung spheroid cells von gesunden Stammzellspendern oder Organspendern zu beziehen. Eine Vision der Forscher ist, eine universelle Stammzellspendenbank zu etablieren, die sich nicht nur zur Behandlung von Lungenfibrose, sondern auch weiterer Lungenkrankheiten – wie z. B. COPD, Mukoviszidose, Lungentuberkulose – heranziehen lässt“, berichtet Prof. Gillissen.
Was ist das Anliegen der Deutschen Lungenstiftung?
Der Deutschen Lungenstiftung liegt die Förderung von Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Lungen- und Atemwegserkrankungen sehr am Herzen, da die Pneumologie im Vergleich zu anderen Fachgebieten zu wenig unterstützt wird. Auch in den Medien wird die Lungenheilkunde zu selten erwähnt. Deshalb investiert die Deutsche Lungenstiftung einen guten Teil der eingehenden Spenden in die Förderung der öffentlichen Aufklärung über pneumologische Themen sowie in die Förderung von Forschung auf dem Gebiet der Lungenheilkunde.
Quelle: äin-red
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