Die von SARS-CoV-2 verursachte COVID-19-Pandemie ist nur eines von vielen Beispielen für Virusinfektionen, die jährlich Millionen von Menschen betreffen. Heutige antivirale Medikamente wirken durch kleine Moleküle, die für einzelne Viren typische Proteine oder Enzyme angreifen und außer Betrieb setzen. Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts VIROFIGHT, das von der Technischen Universität München (TUM) koordiniert wird, wollen nun Forschende nanometergroße Hüllen entwickeln, die die Viren einschließen und dadurch neutralisieren können. Dafür sind die Hüllen mit multivalent virus-bindenden Molekülen (Antikörpern oder Aptametern) ausgerüstet. Dieser neuartige Ansatz könnte es möglich machen, verschiedenartige Viruserkrankungen wie COVID-19, HIV-Infektionen, Influenza oder Hepatitis B mit ein und demselben Ansatz zu behandeln.
Für rund 70 Prozent der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgeführten Viren ist keine Therapie verfügbar, und die vorhandenen antiviralen Medikamente müssen sehr kurz nach der Infektion verabreicht werden, um überhaupt wirksam zu sein. Der neue Therapieansatz soll es möglich machen, den Mangel an breit einsetzbaren antiviralen Medikamenten zu beheben und auch neu entstehende Erreger zu bekämpfen.
„Unser erstes Ziel ist es, Prototypen von Nano-Hüllen zu entwickeln und zu zeigen, dass diese grundsätzlich im Stande sind, die unterschiedlichen Viren einzuschließen“, berichtet Projektleiter Hendrik Dietz, Professor für Biomolekulare Nanotechnologie an der TUM. „Wir sind überzeugt, dass die Wirkung der Erreger durch diesen Einschluss neutralisiert werden kann. So könnten unterschiedliche Viren mithilfe von ein und derselben Plattform bekämpft werden.“ Ulrike Protzer, Professorin für Virologie an der TUM, ergänzt: „Das komplette Einpacken der Viren durch die Nanohüllen könnte auch helfen, eine potentiell schädliche Wirkung von Antikörpern, die gegen das Virus gerichtet sind, zu vermeiden.“
Bei der Entwicklung dieser biokompatiblen Nano-Hüllen setzen die Forschenden unterschiedliche Technologien wie DNA-Origami, Protein-Design und In-vitro-Evolution ein. Sie planen, das Innere der Hüllen mit Molekülen auszukleiden, die auf einzelne Viren abgestimmt sind und so für eine starke und spezifische Bindung der Viren sorgen. Diese Bindungseffekte sollen im Labormaßstab für unterschiedliche Viren erprobt werden. Um diese angestrebten Projektziele zu erreichen, bedarf es einer Reihe unterschiedlicher Kompetenzen. Daher bringt das Projekt Experten auf Gebieten wie Supramolekulare Chemie, Molekulares Nano-Engineering und Virologie zusammen.
Quelle: Biermann-Medizin vom 17.7.20 & Munich School of BioEngineering am 17.07.2020