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Lungenärzte empfehlen Reha nach COVID-19

Auf dem europäischen Pneumologenkongress haben europäische und amerikanische Pneumologen ihre Empfehlungen zur Reha für Patienten nach überstandener COVID-19-Erkrankung vorgestellt.

Ein großer Anteil der Patienten, die nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung aus dem Krankenhaus entlassen werden, leiden unter eingeschränkten Körperfunktionen und können ihren Alltag nur bedingt gestalten. Dies erfordere unter Umständen umfangreiche Folgetherapien und Rehabilitationsmaßnahmen, erklärte Prof. Sally J. Singh von der University of Leicester (England) auf dem virtuellen Kongress der European Respiratory Society (ERS). Die ERS hat kürzlich gemeinsam mit der American Thoracic Society (ATS) eine vorläufige Leitlinie zur Rehabilitation von COVID-19-Patienten veröffentlicht (European Respiratory Journal, online-Veröffentlichung am 13.8. 2020).

Nach der Entlassung in den ersten sechs bis acht Wochen werden regelmäßige körperliche Bewegung und körperliche Übungen auf niedrigem bis moderatem Niveau empfohlen. Innerhalb dieser Zeit wird auch eine ärztliche Einschätzung der körperlichen und psychischen Verfassung angeraten, um u.U. notwendige und gezielte Rehabilitationsmaßnahmen abzuleiten, erklärte Prof. Ioannis Vogiatzis von der Northumbria University in Newcastle. Das Rehabilitationsprogramm soll unter anderem Muskelkräftigung, ernährungsmedizinische Maßnahmen und psychologische Unterstützung beinhalten. Ähnliche Empfehlungen hat auch die British Thoracic Society (BTS) herausgegeben.

Nach Vogiatzis Angaben sollte die Nachbetreuung und ambulante Rehabilitation bevorzugt unter telemedizinischer Anleitung erfolgen. Damit werde dem Erfordernis des physical distancing (Abstandhalten) Rechnung getragen und unnötige Reisetätigkeit werde vermieden. Im Monitoring erfasst werden Alltagsaktvititäten, Symptome, Ernährung, Appetit und körperliche Funktionen. Diese Informationen münden schließlich in ein individuell zugeschnittenes Rehabilitationsprogramm.

Hintergrund sind sich weiter verdichtende Hinweise darauf, dass die SARS-CoV-2-Infektion multiple Schäden an mehreren Organsystemen zur Folge haben kann. 60 bis 70 Prozent der aus dem Krankenhaus entlassenen Patienten litten an Fatigue, 40 bis 70 Prozent an Kurzatmigkeit, berichtete Prof. Francesco Blasi von der Universität Mailand beim ERS-Kongress. Hinzu kommen Schmerzen, Stimmveränderungen und weiter bestehender Husten und viele weitere Symptome, die die Lebensqualität beeinträchtigten. Häufig sind zudem Depressionen, Angst- und posttraumatische Belastungsstörungen, besonders bei intensivmedizinisch behandelten Patienten.

Nach eigenen Erfahrungen bei über 1000 COVID-19-Patienten treten bei der Hälfte der Patienten fibrotische Veränderungen der Lunge auf, schilderte Blasi eine der wichtigsten Folgeerkrankungen. Dies lasse sich zurückführen auf Schäden der alveolären Epithelzellen, die mit einer überschießenden  Bildung von proinflammatorischen Zytokinen, einer starken Aktivierung von Fibroblasten und Myofibroblasten und einer übermäßigen Ablagerung von Kollagen im Lungengewebe einhergehen. In Einzelfällen sind bereits Lungentransplantationen bei COVID-19-Patienten vorgenommen worden.

Blasi wies allerdings darauf hin, dass die Patienten der ersten Infektionswelle im Frühjahr 2020 im Durchschnitt deutlich älter waren als es derzeit bei den auch in Italien wieder zunehmenden Infektionen der Fall sei. Mit Kortikosteroiden scheine man der Lungenfibrose gut entgegenwirken zu können. Eingesetzt werden zudem moderne antifibrotische Medikamente wie Pirfenidon und Nintedanib. Insofern sind die Häufigkeitsangaben zu Spätschäden an Organen als vorläufig zu betrachten.

Blasi machte weiterhin auf Daten aus Deutschland aufmerksam, wonach oft mit einer Herzbeteiligung gerechnet werden müsse – und zwar unabhängig von vorbestehenden Herzerkrankungen, vom COVID-19-Verlauf und der Schwere der Infektion (siehe JAMA Cardiology, online-Veröffentlichung am 27.7.2020). Der italienische Spezialist empfahl unter anderem EKG- und echokardiografische Kontrolluntersuchungen, gegebenenfalls Schichtbildgebung (Magnetresonanztomographie und Computertomographie). Zudem dürften die Beteiligung der Nieren, des Gerinnungssystems sowie neurologische und psychiatrische Störungen nicht vergessen werden.

Quelle: Dr. Thomas Meißner in Deutsche Ärztezeitung am 7.9.2020