In den Medien war in letzter Zeit häufig folgende Nachricht zu lesen: Der regelmäßige Einsatz von scharfen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln soll das Risiko erhöhen, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zu entwickeln. Beruflich gefährdet seien vor allem Krankenschwestern und Reinigungspersonal in Kliniken wie auch Angestellte in Arztpraxen. Hintergrund sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie mit 73.263 Krankenschwestern, die über sechs Jahre hinweg (von 2009-2015) beobachtet wurden (siehe JAMA Network Open, Online-Veröffentlichung am 18.10.2019). Demnach erhöhte der häufige Gebrauch von Putz- und Desinfektionsmitteln (mehr als einmal wöchentlich) – wie z. B. mit Wasserstoffperoxid, reinem Alkohol, Bleichmittel, Glutaraldehyd oder quartären Ammoniumverbindungen - das COPD-Risiko der Studienteilnehmerinnen um 25-38 Prozent im Vergleich zu Probandinnen, die solche Mittel seltener verwendeten.
Weitere Studien erforderlich
Desinfektionsmittel und Sanitärreiniger werden zum Abtöten von Bakterien auf Oberflächen und medizinischen Instrumenten eingesetzt. Allerdings können sie auch die Atemwege reizen, da die enthaltenen Reizstoffe oxidativen Stress für die betroffenen Zellen bedeuten und Entzündungsreaktionen verursachen können. „Ob das häufige Einatmen von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln tatsächlich zu einer COPD führen kann, muss man aber noch weiter untersuchen“, kommentiert Dr. med. Thomas Voshaar, Vorstandsvorsitzender des VPK und Chefarzt des Lungenzentrums am Krankenhaus Bethanien in Moers.
Hyperreaktivität ist für Asthma typisch, aber nicht für COPD
Im Gegensatz zu Asthmatikern weisen Patienten mit COPD normalerweise keine Hyperreaktivität auf - also eine unspezifische bronchiale Überempfindlichkeit gegenüber verschiedenen Substanzen, wie z. B. Duftstoffen. „Es könnte aber sein, dass bei den Studienteilnehmerinnen eine COPD mit einem Asthma in Kombination vorlag (sog. Asthma-COPD-Overlap = ACO) oder dass die vermeintliche COPD mit Asthma verwechselt wurde, was gar nicht so selten vorkommt“, gibt Dr. Voshaar zu bedenken. Andererseits gibt es natürlich auch unter Reinigungskräften häufig Personen, die rauchen, wobei die Kombination von Rauchen und Exposition mit scharfen Reinigungsmitteln die Situation tatsächlich verschlimmern und möglicherweise additiv wirken könnte.“
Test auf Hyperreaktivität erbringt Aufschluss
„Beim Auftreten von Husten oder Atemnot im Rahmen des Umganges mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sollte am besten sofort ein Test auf Hyperreaktivität gemacht werden“, rät Dr. Voshaar. Dabei inhalieren die Patienten eine Testsubstanz, die bei Vorliegen einer bronchialen Überempfindlichkeit ihre Bronchialschleimhäute so provoziert, dass sie mit einer Verengung der Bronchien vor allem beim Ausatmen reagieren, die sich anschließend bei einer Lungenfunktionsprüfung gut messen lässt. Wenn der Hyperreaktivitätstest positiv ausfällt, ist der Nachweis für eine vorliegende Asthmakomponente erbracht. Dann kann den Patienten eine entzündungshemmende Asthmatherapie helfen. Falls trotz adäquater Therapie Beschwerden auftreten, müssen die Betroffenen die auslösenden Substanzen vollständig meiden, was unter Umständen auch einen Berufswechsel erforderlich machen kann.
Keine Sprays zum Desinfizieren verwenden!
Da Hygienemaßnahmen in Kliniken und Praxen unumgänglich sind, um die Infektionsrisiken zu limitieren, sollten präventiv Strategien entwickelt werden, um das Reinigungspersonal vor den möglicherweise negativen Auswirkungen von Desinfektionsmitteln auf die Atemwege zu schützen. Bisher ist noch nicht wissenschaftlich untersucht worden, ob das Tragen einer Atemmaske beim Desinfizieren das Risiko für Asthma oder COPD verringern kann. „Auf jeden Fall sollte bei der Reinigung von Flächen der Einsatz von Desinfektionsmitteln in Form von Sprays vermieden werden, um die Exposition zu begrenzen“, betont Dr. Voshaar. Denn Sprays führen zur Bildung von Aerosolen, also kleinsten Tröpfchen, die besonders leicht eingeatmet werden können.
Autor: äin-red
Dies ist eine Pressemeldung des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.lungenaerzte-im-netz.de. Bei Veröffentlichung in Online-Medien ist diese Quellenangabe (in Form eines aktiven Links entweder auf die Startseite oder auf eine Unterseite der Webseite der Lungenärzte-im-Netz) erforderlich, bei Veröffentlichung in Printmedien ist ebenfalls ein Hinweis auf diese Webadresse notwendig.
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