Viele schwer erkrankte Covid-19-Patienten kämpfen nicht allein mit dem Coronavirus. Etwa die Hälfte der Menschen, die künstlich beatmet wurden und trotzdem verstorben sind, hatte sich während ihres Krankenhausaufenthalts zusätzlich mit gefährlichen Bakterien angesteckt. Eine Therapie mit kaltem Plasma könnte solche Superinfektionen verhindern und außerdem die Gefahr, dass sich das Krankenhauspersonal mit dem Coronavirus ansteckt, reduzieren. Darauf deuten erste vorläufige Tests, in denen kaltes atmosphärisches Plasma - also ionisierte Luft - Sars-CoV-2 in Zellkulturen unschädlich machte. Um zu klären, ob kaltes Plasma tatsächlich bei der Behandlung der Erkrankung helfen kann, wurden nun Untersuchungen sowohl in Zellkulturen als auch mit Covid-19-Patienten initiiert. Das berichtet die Max-Planck-Gesellschaft.
Plasma ist der Brennstoff der Sterne. In einer stark verdünnten kalten Variante beseitigt ionisiertes Gas, genauer gesagt ionisierte Luft aber auch Bakterien etwa aus chronisch infizierten Wunden. Manche Viren tötet das atmosphärische Plasma ebenfalls, wie Julia Zimmermann, Leiterin der technischen Entwicklung einer Firma (namens terraplasma medical), gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern in Studien mit Noro- und Adenoviren in Lösung bereits gezeigt hat. Und es könnte auch bei der Behandlung von Covid-19-Patienten helfen. „Wir haben Hinweise aus ersten Tests, dass kaltes atmosphärisches Plasma Coronaviren in Lösung abtötet“, berichtet Jens Kirsch, Geschäftsführer derselben Firma. „Das ist für uns besonders interessant, weil die Viren sich auf Schleimhäuten ebenfalls in Flüssigkeiten, zum Beispiel im Speichel, befinden.“
Die ersten Untersuchungen machten die Forschenden gemeinsam mit einem Team um Albrecht von Brunn, Wissenschaftler am Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Das vorläufige Ergebnis, wonach kaltes Plasma das Coronavirus abtöten kann, gab Anlass für weitere Studien. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin soll umfassender analysiert werden, wie kaltes atmosphärisches Plasma auf Viren in Zellkulturen wirkt. Zum anderen sind gemeinsam mit den Kliniken der Universität Regensburg und der LMU Studien an Patienten geplant. Die klinischen Studien sind nicht zuletzt deshalb ohne die sonst üblichen Tierversuche möglich, weil die Forschenden hier auf vorhergehenden Untersuchungen aufbauen können. „Wir wissen bereits, dass kalte Plasmen die Schleimhäute nicht schädigen, wenn wir das richtige Plasmadesign verwenden und die Dosis gewisse Grenzwerte nicht übersteigt“, erklärt Gregor Morfill, ehemaliger Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Gründer der Firma terraplasma und wissenschaftlicher Berater von terraplasma medical.
Mit den Studien wollen die Forschenden verschiedene Fragen beantworten. Sie wollen nicht nur klären, ob eine Behandlung mit kaltem Plasma unterbinden kann, dass sich künstlich beatmete Covid-19-Patienten mit Krankenhauskeimen anstecken und sich die Heilungschancen so deutlich verschlechtern. Sie wollen auch herausfinden, ob ionisierte Luft die Viruslast in Mund, Nase und Rachen von Covid-19-Patienten deutlich reduziert. Das könnte nicht nur helfen, das Ansteckungsrisiko für das medizinische Personal auf den Intensivstationen zu senken. „Wir hoffen, dass wir bei Covid-19-Patienten, deren Lunge noch frei von dem Virus ist, langfristig auch eine Ausbreitung vom Mund-Nase-Rachenraum in den unteren Atemtrakt verhindern können“, so Jens Kirsch. „Auf diese Weise könnte sich der Anteil der Covid-19-Patienten, die auf Intensivstationen behandelt oder sogar künstlich beatmet werden müssen, verringern lassen.“
Um das kalte Plasma im oberen Atemtrakt anwenden zu können, wurde ein Gerät, mit dem chronisch infizierte Wunden behandelt werden, so umfunktioniert, dass es kaltes atmosphärisches Plasma erzeugen kann. Ehe Ärztinnen und Ärzte damit jedoch die ersten Covid-19-Patienten therapieren können, muss die klinischen Studien zunächst noch die jeweils zuständige Ethikkommission billigen. „In sechs bis sieben Monaten rechnen wir aber mit den ersten Ergebnissen“, meint Gregor Morfill.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft & Corona Medizin Plasmaphysik