Aufgrund der Bevölkerungsstruktur in Deutschland werden die Menschen immer älter und leiden dann oft an mehreren Krankheiten zugleich. Das macht auch eine intensivmedizinische Behandlung wahrscheinlicher, bei der eine Beatmung erforderlich wird. Nun hat in den letzten zehn Jahren die Anzahl der Patienten, die invasiv über einen Luftröhrenschnitt – sog. Tracheostoma - mit Kanüle beatmet werden, extrem zugenommen. Und das, obwohl es auch die Möglichkeit einer schonenderen, nicht-invasiven Beatmung über eine Mund-Nasen-Maske gibt, deren Vorteile für das Überleben der Patienten und ihre Lebensqualität wie auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nachweislich auf der Hand liegen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in einem Positionspapier gemeinsam mit weiteren pneumologischen und anderen medizinischen Fachverbänden (VPK, BdP sowie DIGAB, DIVI, DGNI, DEGAM und Hausärzteverband) hin. „Das größte Risiko bei der invasiven Beatmung sind Erreger, die über die Beatmungsschläuche in die Lunge eindringen können“, erläutert Prof. Dr. med. Martin Hetzel, einer der beiden Tagungspräsidenten des diesjährigen DGP-Kongresses und Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Internistische Intensivmedizin, Beatmungsmedizin und Allgemeine Innere Medizin am Krankenhaus vom Roten Kreuz Bad Cannstatt in Stuttgart. Im Gegensatz dazu wird dem Patienten bei der nicht-invasiven Beatmung die Atemluft über eine spezielle, druckdichte Atemmaske zugeführt – also ohne dass die invasive Einführung eines Beatmungsschlauches in die Luftröhre (Intubation) notwendig wird. Das erlaubt dem Patienten, die Atemmaske zwischendurch abzunehmen - zum Beispiel zum Sprechen, Essen oder Husten - und ist mit einer deutlich geringeren Komplikationsrate verbunden. Daher ist die nicht-invasive Beatmung mit einer höheren Lebenserwartung und mehr Lebensqualität verbunden.
Umstellung auf die nicht-invasive Atemmaske kann Entlassung nach Hause ermöglichen
Diese Zunahme der Fälle mit invasiver Beatmung über Tracheostoma in den letzten zehn Jahren ist überwiegend auf ein Versagen der Entwöhnung vom Beatmungsgerät bzw. auf die fehlende Umstellung von der invasiven auf die nicht-invasive Beatmung zurückzuführen. „Die betroffenen Patienten werden nach einer medizinischen Intensivbehandlung, bei der sie auch invasiv beatmet werden mussten, nicht erfolgreich vom Beatmungsgerät entwöhnt und deshalb nach der Entlassung aus der Akut-Intensivstation überwiegend in so genannten Intensiv-Pflegewohngemeinschaften mit großem Behandlungsaufwand und kostenintensiv weiterbehandelt. Stattdessen könnten aber 60 bis 70 Prozent dieser Patienten durch eine Umstellung auf die nicht-invasive Beatmung erfolgreich vom Beatmungsgerät entwöhnt und somit auch nach Hause entlassen werden, wo sie die Maskenbeatmung autonom und überwiegend nachts fortführen können. Das schlägt sich natürlich auch in erheblich geringeren Versorgungskosten nieder“, betont Prof. Hetzel.
Entwöhnung vom Beatmungsgerät wird oft unterlassen
Als Grund, warum Patienten nach einer invasiven Langzeitbeatmung auf der Intensivstation nicht vom Beatmungsgerät entwöhnt und deshalb mit verbleibendem Tracheostoma und einer noch liegenden Luftröhrenkanüle direkt in eine 24-stündige Intensivpflege entlassen werden, wird meist eine Schluckstörung des Patienten oder eine Bewusstseinsstörung mit Aspirationsgefahr (durch das Einatmen von Speicheltröpfchen) angeführt. „Allerdings werden Schluckstörungen durch Luftröhrenkanülen zusätzlich noch gefördert! Außerdem können die Patienten aufgrund des Luftröhrenschnittes nicht selber abhusten, so dass ihnen vermehrt Atemwegsinfektionen drohen“, erklärt Prof. Dieter Köhler, ehemaliger Ärztlicher Direktor der Lungenfachklinik Kloster Grafschaft in Schmallenberg, eines der führenden Beatmungs- und Entwöhnungszentren in Deutschland. „Für ihre Prognose ist es also sehr viel günstiger, wenn die Luftröhrenkanüle entfernt und der Luftröhrenschnitt verschlossen wird.“
Kompetenznetzwerk WeanNet gegründet
Zur Umstellung von der invasiven auf die nicht-invasive Beatmung und Entwöhnung vom Beatmungsgerät (Weaning) sind spezielle Behandlungstechniken mit bewegungs-, physio-, ernährungs- und pharmakotherapeutischen Methoden erforderlich, die freilich nicht in allen Pflegestationen verfügbar sind. Deshalb hat die DGP bereits im Jahr 2009 das Kompetenznetzwerk WeanNet gegründet, das sich bundesweit für die erfolgreiche Entwöhnung von langzeitbeatmeten Patienten einsetzt und bisher 36 stationäre Einrichtungen umfasst. Ziel ist der weitere Ausbau, um spezialisierte Weaning-Zentren in inhaltlichen und organisatorischen Anliegen zu unterstützen und die Versorgung und Behandlungsqualität von Weaning-Patienten zu verbessern. Dazu wird noch eine weitere Pressemitteilung der DGP am 24.3.17 veröffentlicht.
Quelle: äin-red
Dies ist eine Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: http://www.lungenaerzte-im-netz.de. Bei Veröffentlichung in Online-Medien ist diese Quellenangabe (in Form eines aktiven Links entweder auf die Startseite oder auf eine Unterseite der Webseite der Lungenärzte-im-Netz) erforderlich, bei Veröffentlichung in Printmedien ist ebenfalls ein Hinweis auf diese Webadresse notwendig.