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Corona ist das Ebola der Reichen

Ein Intensivmediziner aus Bergamo bezeichnet Corona als das Ebola der Reichen. Zur Bewältigung einer Pandemie wie COVID-19 sollte die heutige patientenzentrierte Versorgung durch eine gemeinschaftszentrierte Versorgung ersetzt werden.

Mirco Nacoti, ein Intensivmediziner aus Bergamo reflektiert die möglichen Gründe für die extreme Überlastung der Krankenhäuser in Norditalien während der COVID-19-Pandemie. Er ist der Ansicht, dass die heutige patientenzentrierte Versorgung zur Bewältigung einer Pandemie nicht geeignet ist und durch eine gemeinschaftszentrierte Versorgung ersetzt werden sollte (siehe NEJM Catalyst, Online-Veröffentlichung am21.3.2020).

Wie das Deutsche Ärzteblatt (am 23.3.2020) berichtet, sei ein Hauptproblem im italienischen Gesundheitssystem offenbar, dass alle Schwerkranken zunächst mit Rettungswagen in die Klinik transportiert und dann offenbar nicht strikt von den nicht-infizierten Patienten getrennt wurden. In den Kliniken kam es daher schnell zur Übertragung der Infektion auf andere Patienten. Zu den Vektoren gehören neben den Rettungswagen auch das medizinische Personal, das teilweise beschwerdefrei infiziert sei oder bei Krankheitszeichen nicht überwacht werde.

Nach Angaben von Narcoti erfahre man derzeit in Italien schmerzlich, dass es keine Experten für Public Health und für Epidemien gebe, die im Ernstfall die notwendigen Entscheidungen treffen. Seiner Meinung nach sei ein Perspektivwechsel hin zu einem Konzept der gemeinschaftszentrierten Versorgung notwendig. Dazu sollten eine vermehrte häusliche Krankenversorgung und mobile Kliniken gehören. Dies würde unnötige Patiententransporte vermeiden und die Krankenhäuser entlasten.

Eine Sauerstofftherapie und eine Überwachung mit Pulsoxymetrie sind laut Nacoti auch zuhause möglich. Die Patienten könnten telemedizinisch betreut werden. Sie sollten zuhause isoliert und dort mit Nahrungsmitteln versorgt werden, bis sie sich erholt haben. Die Kliniken könnten sich dann auf die Behandlung der schwersten Fälle konzentrieren. Das Ansteckungsrisiko anderer Patienten und des Personals werde vermindert und der Verbrauch an Schutzausrüstung minimiert.

Der Schutz des medizinischen Personals müsse Vorrang haben. Hier dürften keine Kompromisse eingegangen werden. Die nötige Ausrüstung müsse jederzeit verfügbar sein. Wichtig sei, dass Infektionen an den Kliniken und eine Kontamination der Fahrzeuge verhindert werden. In den Kliniken müssten spezielle Abteilungen geschaffen werden, in denen im Fall einer Pandemie Patienten räumlich und personell getrennt versorgt werden können.

Der derzeitige COVID-19-Ausbruch ist nach Ansicht von Nacoti nicht allein intensiv­medizinisch zu beherrschen. Sozialwissenschaftler, Epidemiologen, Logistikexperten, Psychologen und Sozialarbeiter müssten einbezogen werden, um im Fall einer Epidemie die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Diese bestehen in erster Linie in einer sozialen Distanz. Ein Lockdown sei die wichtigste Maßnahme. Dies habe in China die Übertragung um etwa 60 % reduziert. Die Maßnahmen dürften nicht zu früh gelockert werden, da es sonst zu einer weiteren Erkrankungswelle komme.

Notwendig sei ein langfristiger Plan für die nächste Pandemie. Das Coronavirus ist laut Nacoti das „Ebola der Reichen“. Es sei zwar nicht besonders tödlich, aber sehr ansteckend. Je mehr die Gesellschaft medizinalisiert und zentralisiert sei, desto größer sei das Risiko, dass sich ein Virus ausbreite.

Quelle: NEJM Catalyst, Online-Veröffentlichung am21.3.2020