Die Covid-19 Erkrankung kann für Patienten einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Für Mediziner ist es sehr hilfreich früh zu erkennen, welchen Covid-19-Patienten ein Lungenversagen droht. Diese Patienten könnten dann gezielt intensiv überwacht werden. Im Gegenzug können Patienten ohne Risikomerkmale auf Normalstation oder sogar zu Hause behandelt werden. Somit können Plätze auf Intensivstationen eingespart und denjenigen zugewiesen werden, die sie wirklich brauchen. In einer Studie haben Wissenschaftler des LMU Klinikums München nun sogenannte Biomarker gefunden, die genau diese Unterscheidung ermöglichen. Sie konnten zeigen, dass der Botenstoff Interleukin-6 bei Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen erhöht ist und der Blutspiegel die Notwendigkeit eines Intensivaufenthaltes mit hoher Wahrscheinlichkeit früh erkennen lässt (siehe Journal of Allergy and Clinical Immunology, Online-Veröffentlichung am 18.5.2020).
Die meisten Menschen erkranken nach einer Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 nur leicht und erholen sich rasch. Bei etwa fünf Prozent der Patienten kommt es aber zu einem schweren Erkrankungsverlauf mit Atemnot. Einige dieser Patienten müssen auf der Intensivstation künstlich beatmet werden. Bei einer schnell steigenden Zahl an Infektionen könnten so die Kapazitäten der Intensivstationen überlastet werden.
„Wir sahen im März und April viele Patienten mit Covid-19 in unserer Notaufnahme und mussten entscheiden, bei welchen der Patienten mit einem schweren Verlauf der Erkrankung zu rechnen ist“, berichten PD Dr. med. Tobias Herold und Dr. med. Tobias Weinberger, Oberärzte der Zentralen Notaufnahme (ZNA) am Campus Großhadern des LMU Klinikums. Um Patienten zu erkennen, denen eine Verschlechterung des Zustandes droht, benötigt man Marker, die den klinischen Verlauf vorhersagen.
Zusammen mit Kollegen des LMU-Klinikums haben PD Dr. Tobias Herold und Dr. Tobias Weinberger den klinischen Verlauf und die Laborparameter von 89 Patienten mit Covid-19 untersucht, die aufgrund der Schwere der Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden mussten. Von dieser Gruppe mussten 32 Patienten – größtenteils Männer – künstlich beatmet werden.
Es stellte sich heraus, dass sie alle erhöhte Werte eines Markers für Entzündungen, IL-6, im Blut aufwiesen. Mehr noch: „Ein IL-6-Wert von über 80 Pikogramm/Milliliter sowie ein CRP-Wert über 9,7 Milligramm/Deziliter während der Erkrankung sagte das spätere Lungenversagen mit hoher Genauigkeit voraus“, erklärt Dr. Tobias Herold. Das Risiko für ein Lungenversagen war für Patienten mit erhöhten Werten um ein Vielfaches gesteigert.
Es besteht international ein großer Bedarf an solchen Erkenntnissen und das wissenschaftliche Interesse ist aktuell groß. Unklar ist weiterhin, ob IL-6 ein zentraler Faktor des ausufernden Krankheitsgeschehens in der Lunge ist oder lediglich ein Marker der Krankheitsaktivität.
Falls ersteres zutrifft, könnten Medikamente, die in diesen Entzündungsprozess eingreifen, den Erkrankungsverlauf positiv beeinflussen. Um dieser Frage nachzugehen, wird aktuell ebenfalls am LMU Klinikum die sog. COVACTA-Studie durchgeführt. Hierbei wird versucht, den ausufernden Entzündungsprozess zu bremsen.
Um weitere Einblicke in das Erkrankungsgeschehen zu gewinnen, hat das LMU-Klinikum die fächerübergreifende wissenschaftliche Arbeitsgruppe CORKUM ins Leben gerufen. CORKUM soll dazu dienen, auf allen Ebenen und mit dem Blickwinkel von verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen und Wissenschaftlern Covid-19 besser zu verstehen und behandeln zu können.
Quelle: Klinikum der Universität München