Die Ausbreitung von Aerosolen – und damit um die mögliche Übertragung von Viren – wurde beim Spielen von Blasinstrumenten unter Mitgliedern des Symphonieorchesters des BR von Forschenden Forscher des Universitätsklinikums Erlangen, des LMU Klinikums München und des Bayerischen Rundfunks untersucht. Den Ergebnissen zufolge könnten die Abstände im Orchester zumindest zur Seite geringer ausfallen, als derzeit empfohlen wird.
Im Gegensatz zu Studien, die die absolute Aerosolkonzentration durch das Musizieren gemessen haben, war der Ansatz dieser Studie, die akute Ausbreitung und Verteilung von Aerosolen im Raum durch das Spielen von gewissen Blasinstrumenten zu bestimmen. Dazu wurde im Studio 2 am BR-Standort Unterföhring eine Versuchsanordnung aufgebaut, in der Aerosole, die durch die Basissubstanz von E-Zigaretten inhaliert wurden, in ihrer Ausbreitung beim Spielen von Blasinstrumenten beobachtet und ausgemessen werden konnten. Das berichten PD Dr. Stefan Kniesburges, Strömungsmechaniker an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums Erlangen, und Prof. Dr. Matthias Echternach, Leiter der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am LMU Klinikum München.
Die Auswertung der Messungen über die abgestrahlten Aerosol-Wolken ergab: Zu ihren Kollegen nach vorne sollten die Musikerinnen und Musiker einen größeren Abstand einhalten als zur Seite. Immer vorausgesetzt, dass der Raum permanent gelüftet wird und damit die Aerosole regelmäßig durch Frischluft entfernt werden. „Die gemessenen Blasinstrumente unterscheiden sich in ihrer Abstrahlcharakteristik nach vorne hin. Für die Trompete und die Klarinette haben wir im Mittel Abstände der Wolke vom Mund von 0,9 Metern gemessen. Vereinzelte Musiker erreichten jedoch auch Weiten von 1,5 Metern, sodass Sicherheitsabstände von 2 Metern nach vorne sinnhaft erscheinen. Bei der Querflöte erreichte die gemessene Impulsabstrahlung nach vorne über das Mundstück jedoch sogar Weiten von bis zu 2 Metern. Daher sind Sicherheitsabstände von 2 Metern hier als zu gering und 3 Meter als angemessen zu bewerten. Die Abstrahlung zur Seite blieb bei allen Musikern unter einem Meter. Ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern erscheint daher, im Gegensatz zu den bisher empfohlenen 2 Metern, hinreichend“, so Matthias Echternach.
„Die Daten beziehen sich allerdings nur auf die direkte Ausbreitung durch den Eigenimpuls beim Spielen. Für die Sicherheit der Musikerinnen und Musiker ist es aber wichtig, dass die Aerosole auch permanent aus dem Raum entfernt werden, damit diese sich nicht ansammeln“, ergänzt Stefan Kniesburges. Wie weit sich Aerosole unter realen Bühnen- und Probebedingungen entfernen lassen, ist nach Ansicht der Studienleiter jedoch noch nicht im Detail gut verstanden. „Hinsichtlich der realen Probe- und Auftrittsbedingungen des Musizierens sind weitere Studien notwendig, um zusätzliche Maßnahmen hinsichtlich ihres Potentials zur Risikoreduzierung und ihrer akustischen Auswirkungen zu untersuchen.“
„Diese überaus gründliche Studie gibt wichtige Aufschlüsse über sichere Abstände zwischen Musikerinnen und Musikern auf der Bühne. Wir hoffen, dass ihre Erkenntnisse schnell in die Vorgaben von Entscheidungsträgern einfließen“, meint Nikolaus Pont, Manager des Symphonieorchesters des BR (BRSO). „Allein die Reduktion der seitlichen Abstände bei den Bläsern würde uns ermöglichen, wieder ein wesentlich größeres Repertoire zur Aufführung zu bringen.“
Christopher Corbett, Solo-Klarinettist beim BRSO, fügt hinzu: „Für uns Musiker ist es Grundvoraussetzung, dass wir uns untereinander gut hören, um musizieren zu können. Es wäre bereits enorm hilfreich, wenn die Abstände innerhalb einer Stimmgruppe in einer Reihe verkleinert werden könnten. Das musikalische und emotionale Kommunizieren mit den Kollegen wäre damit wieder leichter, und das wird hörbar.“
Und Staatsminister Bernd Sibler betont: „Eine meiner zentralen Aufgaben als Kunstminister ist es, Kultur zu ermöglichen. In Zeiten der Pandemie ist dabei der Schutz der Gesundheit von Musikerinnen und Musikern wie des Publikums besonders wichtig. Je besser wir über das Coronavirus Bescheid wissen, desto zielgerichteter können wir Maßnahmen für sicheres Musizieren ergreifen. Als Wissenschaftsminister unterstütze ich daher mit voller Überzeugung die Arbeit unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie ist grundlegend, um verantwortbare Entscheidungen treffen zu können. Herzlichen Dank allen, die an dieser Studie mitwirken und damit Perspektiven für mögliche Öffnungen geben.“
Quelle: LMU Klinikum, Stabsstelle Kommunikation & Medien