In Deutschland leben etwa 32.000 bis 40.000 Menschen mit einer Sarkoidose. Diese entzündiche Erkrankung macht sich meist durch knotenförmige Gewebeveränderungen bemerkbar und betrifft vor allem die Lungen. Mediziner unterscheiden zwischen akuter oder chronischer Sarkoidose, die Ursache ist jedoch in beiden Fällen ungeklärt. Die chronische Verlaufsform der Sarkoidose ist mit etwa 95 Prozent die häufigere. Rund die Hälfte aller Fälle bleibt symptomfrei. Die akute Verlaufsform der Sarkoidose, das so genannte Löfgren-Syndrom, tritt sehr plötzlich auf und macht sich unter anderem durch Hautveränderungen und Lymphknotenschwellungen bemerkbar.
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun ein Molekül identifiziert, das darüber Auskunft gibt, welche der beiden Krankheitsverläufe wahrscheinlich ist, und das darüber hinaus auch therapeutisches Potential besitzt (siehe Clinical and Experimental Immunology 2015, Band 182/2).
„Wir wissen seit mehreren Jahren, dass Patienten eine reduzierte Anzahl regulatorischer T-Zellen und eine vergleichsweise hohe Anzahl aktivierter T-Helferzellen in der Lunge aufweisen“, berichtet Prof. Dunja Bruder, Leiterin der Arbeitsgruppe „Immunregulation“ am HZI und Professorin für Infektionsimmunologie an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. „Auf diese Erkenntnis haben wir uns bei der Suche nach einem prognostischen Marker gestützt.“ T-Zellen übernehmen im Immunsystem verschiedene Funktionen bei der Erkennung und Abwehr von Eindringlingen. Während die so genannten regulatorischen T-Zellen verhindern, dass versehentlich intaktes körpereigenes Gewebe angegriffen wird, unterstützen T-Helferzellen die Funktion anderer Abwehrzellen.
Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Jan Wahlström vom Karolinska Institut in Stockholm analysierten Bruder und ihre Kollegen die Ausprägung des eng mit der T-Zellfunktion in Verbindung stehenden Moleküls ICOS bei Sarkoidose-Patienten. ICOS verstärkt die Wirkung von regulatorischen T-Zellen und die Forscher können diesen Zelltyp daran erkennen. „Wir konnten zeigen, dass die Anzahl von ICOS-Molekülen auf den regulatorischen T-Zellen insbesondere bei Patienten mit Löfgren-Syndrom in der erkrankten Lunge stark erhöht war“, erklärt Dr. Priya Sakthivel, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Bruder am HZI. „Im Blut der Patienten hingegen war das Level identisch mit dem von gesunden Menschen.“
Eine besonders hohe Konzentration von ICOS auf regulatorischen T-Zellen deutet also zum einen auf einen akuten Sarkoidose-Verlauf hin und könnte darüber hinaus sogar im ursächlichen Zusammenhang damit stehen, dass sich die Krankheitszeichen bei Patienten mit Löfgren-Syndrom auch ohne Behandlung wieder zurückbilden. „Wir haben damit erstmals einen diagnostischen Marker für Sarkoidose gefunden“, sagt Bruder. „Ein erster Schritt, um mehr über die Krankheit und ihre Ausprägung zu erfahren.“
Zumal ICOS auch noch in anderer Hinsicht von Interesse ist: „In einer früheren Studie mit Influenza-Viren haben wir gezeigt, dass ICOS von außen gezielt aktiviert und so der Verlauf der Infektion abgemildert werden kann. Durch gezielte therapeutische Manipulation können T-Zellen, die das Molekül tragen, neue Funktionen erlangen und eine völlig neue Wirkung auf seine Umgebung entfalten“, erläutert Sakthivel. Dadurch wird ICOS auch für therapeutische Zwecke interessant: Dank gezielter Aktivierung des Moleküls könnte sich die Wirkung regulatorischer T-Zellen beeinflussen lassen und damit auch der Verlauf der Sarkoidose-Erkrankung.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung