Bestimmte weiße Blutkörperchen, die sog. Fresszellen (Makrophagen), beseitigen als Teil der angeborenen Immunabwehr körperfremde Proteine und Mikroorganismen. Gefressene Tuberkulose-Bakterien können aber im Gegensatz zu anderen Krankheitserregern im Inneren der Makrophagen überleben. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der Universität Surrey in Großbritannien haben nun ermittelt, wie sich die einverleibten Erreger ernähren. Dabei haben die Forscher auch einen vielversprechenden Angriffspunkt für neue Medikamente aufgespürt (siehe Cell Reports, Online-Veröffentlichung am 10.12.19).
Allein 2018 starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO 1,6 Millionen Menschen an Tuberkulose. Am häufigsten verursacht vom Erreger Mycobacterium tuberculosis steht die Tuberkulose auf dem ersten Platz in der Statistik der tödlichen Infektionskrankheiten. Das Rätsel, wie der Erreger jahrelang und vom Immunsystem unentdeckt in menschlichen Makrophagen überleben und sich vermehren kann, treibt viele Forscher weltweit an. Wissenschaftler der Universität Surrey in Guildford und des Forschungszentrums Jülich haben nun einen speziellen Aspekt dieses Rätsels untersucht: Woher stammt der lebensnotwendige Stickstoff, den das Bakterium im Inneren der Makrophagen benötigt?
Der Studie zufolge ernährt sich der Erreger von verschiedenen Aminosäuren des Makrophagen, in dem er lebt. Die wichtigste Nahrungsquelle ist dabei Glutamin, doch auch Glutamat, Aspartat, Alanin, Glycin und Valin sind verfügbar. Allerdings hat das Bakterium keinen Zugang zur Aminosäure Serin des Makrophagen – einen Nährstoff, den es ebenfalls zum Überleben benötigt. Diesen muss es selbst herstellen.
Somit haben die Wissenschaftler einen Angriffspunkt für neue Medikamente entdeckt: Substanzen, die die bakterieneigene Produktion des Serins lahmlegen, sollten den Tuberkulose-Erreger wirkungsvoll bekämpfen können. Konkret könnte ein solcher Wirkstoff etwa die Phosphoserin-Transaminase blockieren, ein Enzym, auf das der Erreger bei der Serinherstellung angewiesen ist.
Zu diesen Erkenntnissen gelangten die Wissenschaftler, indem sie den Stickstoff-Stoffwechsel des Tuberkulose-Bakteriums detailliert analysierten: Zur Herstellung des lebensnotwendigen Serins benötigt der TB-Erreger die „Bausteine“ dafür – insbesondere Stickstoff, den er aus den verfügbaren Aminosäuren des Makrophagen erhält.
Für diese Analyse entwickelte das britisch-deutsche Forscherteam eine spezielle Methode, die experimentelle Untersuchungen und Computersimulationen miteinander verknüpft. Bei den Experimenten fütterten die Wissenschaftler die infizierten Makrophagen mit verschiedenen Aminosäuren. Bei jeweils einer davon ersetzten sie normalgewichtige Stickstoffatome – Stickstoff-Isotope mit der Massenzahl 14 (14N) – durch schwerere Stickstoffatome – mit der Massenzahl 15 (15N). Mithilfe der Massenspektrometrie konnten sie dann feststellen, in welchen Mengenverhältnissen und in welchen Stoffwechselprodukten des Bakteriums die 15N-Isotope aufzufinden sind. Diese experimentellen Ergebnisse der britischen Forscher bildeten die Basis für die Computersimulationen in Jülich.
„Wir haben ein Computermodell des Stickstoff-Stoffwechsels entwickelt, das die Wege der Aminosäuren ermittelt, die vom Erreger aufgenommen werden, und das auch die Aktivität des Stoffwechsels beschreibt“, erläutert Katharina Nöh vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften. Sie leitet das Team „Modellierung von biochemischen Netzwerken und Zellen“, das in den letzten Jahren bereits wesentlich zum Verständnis des Kohlenstoff-Stoffwechsels des Tuberkulose-Erregers beigetragen hat.
Quelle: Forschungszentrum Jülich