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Wird Tuberkulose zu einer Bedrohung in der globalisierten Welt?

Im weltweiten Vergleich ist die Tuberkulose hierzulande weiterhin eine sehr seltene Erkrankung. Der Anstieg der Fallzahlen aufgrund der Flüchtlingsbewegungen stellt dennoch eine große Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen dar.

Vortrag von Prof. Dr. med. Torsten Bauer, Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK), Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin auf einer Pressekonferenz im Rahmen des DGP-Jahreskongresses 2019:

Die Tuberkulose findet sich als letzte einzelne Infektionserkrankung unter den zehn häufigsten Todesursachen weltweit. 2017 infizierten sich 10 Millionen Menschen mit einer Tuberkulose, eine Million davon waren Kinder. Etwa eine halbe Millionen Patienten erkrankten an Tuberkuloseerregern, die gegen die zwei wichtigsten Tuberkulosemedikamente resistent geworden sind und zu einer sogenannten Multiresistenz (MDR) führen. Diese ist schwierig zu behandeln und führt oft nicht zum erwünschten Therapieerfolg. Über 95 Prozent aller an Tuberkulose Erkrankten kommen aus ärmeren Ländern. Auch wenn die Erkrankungszahlen jährlich um etwa 2 Prozent fallen, verstarben im Jahr 2017 noch 1,6 Millionen Menschen an Tuberkulose. Diese globale Notsituation führte dazu, dass sich am 23. September 2018 Staats- und Regierungsoberhäupter zu einem UN High-Level-Meeting trafen, um die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Tuberkulose zu intensivieren. 

Auch in Deutschland war Tuberkulose bis in die Nachkriegszeit noch eine häufige Todesursache. Seit vielen Jahren ist Deutschland jedoch ein Niedriginzidenzland. Zwischen 2013 und 2016 waren die Fallzahlen vorübergehend ansteigend. Seit 2017 haben wir wieder einen Rückgang der Fallzahlen auf 5486 Tuberkuloseerkrankungen registriert. Fast Dreiviertel (73 Prozent) der Neuerkrankungen traten bei Personen auf, die nicht in Deutschland geboren sind. Die höchsten Erkrankungszahlen zeigten sich bei Menschen aus Somalia und Eritrea. Somit kann ein Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre angenommen werden.

Der Anteil an Patienten mit einer Multiresistenz betrug in Deutschland 3 Prozent aller gemeldeten Fälle, also 109 Fälle im Jahr 2017. Dieser Anteil ist weitgehend gleichbleibend. Die Herkunftsländer der meisten nach Deutschland geflüchteten zählen nicht zu den Ländern, in denen die Multiresistenz als sehr häufig gilt. Daher wird ein bedeutender Anstieg der multiresistenten Fälle in Deutschland nicht erwartet.  

Im weltweiten Vergleich ist die Tuberkulose in Deutschland weiterhin eine sehr seltene Erkrankung. Der Anstieg der Fallzahlen durch die  Flüchtlingsbewegungen stellte dennoch eine große Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen dar.  Vor allem um Tuberkuloseausbrüche in Gemeinschaftsunterkünften zu vermeiden, führen die Gesundheitsämter verpflichtende Screening-Untersuchungen bei Flüchtlingen und Asylsuchenden durch. In den Unterkünften sind die Wohnverhältnisse sehr beengt, was die Übertragung der Tuberkulose vereinfacht. Auch aus Beispielen anderer Länder ist bekannt, dass eine Übertragung der Erkrankung auf die Allgemeinbevölkerung nur in seltenen Fällen vorkommt. Datenerhebungen aus den Niederlanden haben allerdings gezeigt, dass Tuberkulosefälle auch Jahre nach der Migration auftreten können, die Entwicklung der Fallzahlen ist daher schwer vorhersehbar. Über Tuberkuloseerkrankungen bei dem auf 1000 Personen monatlich begrenzten Familiennachzug sind keine Daten bekannt. 

Mit dem 1. Januar 2019 sind Änderungen in § 36 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Kraft getreten, die die Landesregierungen ermächtigt, medizinische Untersuchungen auf alle ab diesem Zeitpunkt zugewanderten Menschen auszuweiten. Unserer Ansicht nach bieten umfassende Aufklärung über Tuberkuloserisiken und der zeitnahe, niederschwellige Zugang zum Gesundheitssystem nach Einreise effiziente Möglichkeiten, mit indikationsgerechten Untersuchungen eine Tuberkulose und, darüber hinaus, andere Erkrankungen festzustellen. 

Die Weltgesundheitsorganisation hat mit der End-TB-Strategie das ehrgeizige Ziel ausgerufen, bis 2035 die Tuberkuloseepidemie zu beenden. Eine Impfung mit guter Schutzwirkung für alle Zielgruppen steht derzeit nicht zur Verfügung. Daher liegt der Schwerpunkt der internationalen Bemühungen darauf, in Hochprävalenzgebieten möglichst viele Fälle zu finden und erfolgreich zu behandeln. In Niedrigprävalenzländern wie Deutschland muss in den Risikogruppen nach der Tuberkulose gesucht werden. Auch die präventive Behandlung von Menschen mit besonders hohem Risiko kann für die Eliminierung der Tuberkulose an Bedeutung gewinnen.  

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin