Frühere Studien belegen, dass Rauchen das ungeborene Kind schädigen kann: Neugeborene weisen ein geringes Geburtsgewicht und eine eingeschränkte Lungenfunktion auf; im weiteren Lebensverlauf können u.a. Atemwegsinfekte, Diabetes Typ II, Asthma bronchiale oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzukommen. Doch welche molekularen Mechanismen und Prozesse derartigen Entwicklungseinschränkungen und -störungen zugrunde liegen, war bislang ein weißer Fleck in der Forschung.
Den Einfluss von Tabakrauch auf die Entwicklung des Immunsystems beim Kind haben jetzt Wissenschaftler des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Rahmen einer Langzeitstudie (LINA) untersucht – und zwar auf molekularer Ebene (siehe Journal of Allergy and Clinical Immonology 2013, Online-Vorabveröffentlichung am 23.August). „Erstmals konnten wir den Effekt einer vorgeburtlichen Umweltbelastung auf die Regulation von microRNA beschreiben“, berichtet Dr. Gunda Herberth, eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen.
Die microRNA ist seit Anfang der 1990er Jahre in den Fokus der Molekular- und Zellbiologie gerückt. Beim Menschen sind inzwischen mehr als 1.200 verschiedene dieser kurzen RNA-Moleküle benannt, von denen ein Teil bei der Regulation der Immunantwort eine wichtige Funktion übernimmt. Unter anderem beeinflussen sie maßgeblich die Differenzierung der regulatorischen T-Zellen (Treg-Zellen), die wiederum eine überschießende Aktivierung des Immunsystems bis hin zu Autoimmunerkrankungen verhindern. Gibt es zu wenige dieser Treg-Zellen oder ist ihre Funktion gestört, mindert dies die Fähigkeit des Immunsystems zur Selbstregulation. Allergische Erkrankungen können die Folge sein.
Für den Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und Allergierisiko der Kinder haben die Leipziger Wissenschaftlerinnen die microRNA-223, microRNA-155 und regulatorische T-Zellen untersucht – und dies sowohl im Blut der Schwangeren (36. Schwangerschaftswoche) als auch im Nabelschnurblut der Kinder (bei Geburt). Parallel wurden Fragebögen erhoben und der Urin der Schwangeren analysiert, um die Belastung durch Tabakrauch bzw. durch die flüchtigen organischen Verbindungen, die durch Rauchen entstehen, exakt zu belegen. Aus dem Kreis der LINA-Studienteilnehmer wurden für diese Untersuchungen 315 Mütter, von denen 6,6 Prozent Raucherinnen waren, und 441 Kinder herangezogen.
Die Fokussierung auf die microRNA-223 und -155 erfolgte, weil deren Rolle in der Regulation der T-Zellen bereits belegt war. „Unser Interesse galt nun der Frage, ob diese microRNAs einen Link zwischen Rauchbelastung, regulatorischen T-Zellen und Allergierisiko darstellt“, erläutert Dr. Gunda Herberth.
Im Detail ergaben die Messungen der Konzentration dieser microRNAs sowie der Anzahl regulatorischer T-Zellen im Blut der Schwangeren und im Nabelschnurblut, dass eine hohe Belastung mit tabakrauchassoziierten flüchtigen organischen Verbindungen mit hohen Werten für microRNA-223 einhergeht. Parallel wurde festgestellt, dass erhöhte Werte für microRNA-223 im Nabelschnurblut der Kinder mit einer geringeren Anzahl an regulatorischen T-Zellen korrelieren. Schließlich konnte gezeigt werden, dass eine niedrige Anzahl an Treg-Zellen im Nabelschnurblut ein Indiz dafür ist, dass die betreffenden Kinder bis zum dritten Lebensjahr eher eine Allergie entwickeln als die Kinder mit normalen Werten für microRNA-223 und Treg-Zellen. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Neurodermitis zu erkranken, ist für diese Kinder zwei Mal höher.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ