Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Wie sich die Schutzwirkung der Grippeimpfstoffe verbessern lassen könnte

Zur Entwicklung von Grippe-Impfstoffen mit einem breiteren Schutz könnte sich ein bestimmter Oberflächenbestandteil der Grippeviren (Neuraminidase) besser als bisher angenommen eignen. Das berichten Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen bei Frankfurt am Main.

Influenza (Virusgrippe) ist eine ernst zu nehmende Infektionskrankheit. Die saisonalen Grippewellen sind jedes Jahr weltweit für 250.000 bis 500.000 Todesfälle verantwortlich. Auch in Deutschland kommt es jedes Jahr zu Todesfällen. Die saisonale Grippewelle wird von unterschiedlichen Subtypen der Influenzaviren des A- und des B-Typs verursacht. Diese Influenzavirusstämme unterscheiden sich u.a. in ihren Virus-Oberflächenproteinen Hämagglutinin und Neuraminidase.

Grippeimpfstoffe enthalten Antigene der Grippevirus-Oberflächenproteine Hämagglutinin und Neuraminidase, um das Immunsystem des Impflings zur Bildung entsprechender Antikörper zum Schutz vor Grippe anzuregen. Bisher stand bei der Zusammensetzung der Influenzaimpfstoffe das sich ständig verändernde Hämagglutinin im Fokus. Jetzt hat aber die stärker konservierte Neuraminidase das Interesse der Wissenschaftler geweckt. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben nämlich aufgezeigt, dass sich die Neuraminidase besser als bisher angenommen dazu eignen könnte, einen Schutz vor Grippe zu bewirken (siehe Journal of Virology, Online-Vorabveröffentlichung am 20.6.2018).

Die aktuell zugelassenen inaktivierten Impfstoffe gegen die saisonale Influenza sind vor allem auf die Immunantwort gegenüber Hämagglutinin ausgerichtet. Hierfür ist in der Zulassung festgelegt, wie viel Hämagglutinin als Impfstoff-Bestandteil (Antigen) enthalten sein muss. Nachteil dieses Antigens: Es verändert im Verlauf einer Grippesaison seine Oberflächenstruktur und die saisonalen Grippeimpfstoffe schützen dann unter Umständen nicht mehr vor den Viren mit veränderten Oberflächenproteinen. Dies ist mitverantwortlich dafür, dass jährliche Stammanpassungen in den Impfstoffen notwendig sind und jedes Jahr erneut geimpft werden muss. Anders bei der Neuraminidase: Sie ist in den Influenzaviren stärker konserviert, verändert sich also weniger häufig. Ihr immunogenes Potenzial – die Fähigkeit, eine Immunantwort auszulösen – stand bislang jedoch nicht im Fokus. Daher werden in den heutigen Grippeimpfstoffen auch keine definierten Mengen der Neuraminidase gefordert.

Das Potenzial des Neuraminidase-Antigens, eine Immunantwort und damit einen Infektionsschutz auszulösen, wurde nun am Paul-Ehrlich-Institut näher untersucht von Prof. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, in Zusammenarbeit mit Forschern des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und des Instituts für Virologie und Immunologie in Mittelhäusern, Schweiz. Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher das „Vesikuläre Stomatitis Virus“ (VSV) als Überträger- oder Vektorimpfstoff, um eine Immunantwort gegen Hämagglutinin- und Neuraminidase-Proteine verschiedener Influenzavirusstämme hervorzurufen. Mit diesen Hämagglutinin- bzw. Neuraminidase-spezifischen VSV impften die Wissenschaftler Mäuse und Frettchen. Das Ergebnis: Die Tiere, die gegen Neuraminidase geimpft worden waren, waren gegenüber den Influenzaviren mit dem identischen Neuraminidase-Subtyp ebenso gut geschützt wie die Tiere, deren Impfung sich gegen das exakt passende Hämagglutinin-Protein gerichtet hatte. Dadurch führten diese Neuraminidase-basierten Impfstoffe sogar zur Immunität gegenüber Influenzaviren mit einem anderen Hämagglutinin-Subtyp (Kreuzprotektion), solange sie weiterhin den gleichen Neuraminidase-Subtyp trugen. Dieser Schutz ließ sich über den Blutspiegel kreuzreaktiver Neuraminidase-hemmender Antikörpertiter vorab prognostizieren.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Neuraminidase-Antigene durchaus das Potenzial besitzen, einen Beitrag zur Entwicklung von Grippeimpfstoffen mit einem breiteren Schutz zu leisten“, erläutert von Messling die Ergebnisse. Im nächsten Schritt wolle sie versuchen, das Neuraminidase-Protein so zu verändern, dass es eine schützende Immunantwort gegen alle Viren des gleichen Subtyps erzeugt. Solche optimierten Neuraminidase-Antigene könnten die Schutzwirkung der heutigen Grippeimpfstoffe künftig verbessern.

Quelle: Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel