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Wie sich die Lunge während der Embryogenese entwickelt

Einen wichtigen Regulationsweg der Lungenentwicklung haben Forscher in Hannover identifiziert. Anhand dessen lässt sich nachvollziehen, wie die Verästelungen der Lunge in der Embryonalentwicklung entstehen.

Während der Entwicklung eines Embryos im Mutterleib findet die erste Spezialisierung der Zellmasse in die drei Keimblätter - Endoderm, Mesoderm und Ektoderm - in der dritten Schwangerschaftswoche statt. Aus jedem dieser Keimblätter entwickeln sich später spezifische Gewebe und Organe. So gehen zum Beispiel aus dem Endoderm unter anderem der Atmungstrakt, Verdauungstrakt und die Leber hervor.  

Die menschliche Lunge dient dem Gasaustausch zwischen Blut und Luft. Damit dieser Gasaustausch effizient verläuft, führt ein stark verästeltetes Leitungssystem (der Bronchialbaum) die Luft zu einer Vielzahl kleiner Lungenbläschen (Alveolen), in denen ein großflächiger und enger Kontakt mit dem Blutgefäßsystem erfolgt.

Während der Embryonalentwicklung entwickeln sich der Bronchialbaum und seine Alveolen aus einer einfachen Vorstülpung des Vorderdarms – einem Teil des Endoderms. Dabei wächst eine Knospe mit einem einschichtigen dichten Zellverband (Epithel) in das lockere Bindegewebe (Mesenchym) seiner Umgebung ein und verzweigt sich durch regelmäßige Spaltung der Knospenspitze in eine baumartige Struktur. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass dieses Auswachsen einen ständigen Austausch von Signalen zwischen Epithel und Mesenchym voraussetzt. Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben nun einen wichtigen molekularen Schalter entdeckt, der die signal-vermittelte Kommunikation zwischen Epithel und Mesenchym an den Knospen während des Auswachsens des Bronchialsystems in der Embryonalentwicklung steuert.

Das Team um Prof. Dr. Andreas Kispert und Dr. Timo Lüdtke vom MHH-Institut für Molekularbiologie hat entdeckt, dass zwei nahverwandte Transkriptionsfaktoren (Tbx2 und Tbx3) durch Signale aus dem Epithel der Lungenknospe im die Knospe umgebenden Mesenchym angeschaltet werden. Dort stellen sie das Auswachsen der Lunge und die Verästelung des Bronchialbaumes während der Embryonalentwicklung sicher. Wie das funktioniert, entschlüsselten die Wissenschaftler anhand von Versuchen im Mausmodell sowie in Kultursystemen mit embryonalen Lungenanlagen der Maus (siehe Developmental Cell 2016, Band 39/2, Seite: 239–253).

Tbx2 und Tbx3 sind Transkriptionsfaktoren, die während der Entwicklung der Lunge die Aktivität zweier wichtiger Signalwege koordinieren. Die Transkriptionsfaktoren vermitteln in der embryonalen Lungenanlage die Kommunikation zwischen dem Sonic Hedgehog-Signalweg im epithelialen Teil der Lungenknospen und dem Wnt-Signalweg im umgebenden Mesenchym, indem sie lokal das Ablesen von bestimmten Genen verhindern. Darunter sind Faktoren, die den Wnt-Signalweg hemmen und die Gene für p21/27, die die Zellvermehrung pausieren lassen. Beide Mechanismen stellen das intensive Lungenwachstum im Embryo sicher. Mäuse, in denen die Transkriptionsfaktoren nicht oder nur reduziert vorkommen, bilden in der Folge nur sehr kleine Lungen aus.

„Unsere Ergebnisse könnten langfristig bei Lungenerkrankungen wie der idiopathischen Fibrose helfen“, erklärt Prof. Kispert. Bei dieser Erkrankung werden die embryonalen Signalwege und Tbx2 wieder angeschaltet und es entstehen vermehrt Bindegewebszellen in der Lunge, die den Patienten die Atmung erschweren. „Auch bei Lungenkrebs ist seit kurzem bekannt, dass Tbx2 wieder aktiviert werden kann und dann die Aggressivität des Tumors verstärkt. Das Wissen um die Wirkung dieses embryonalen Schlüsselfaktors kann helfen, den Krebs besser zu verstehen und zu behandeln“, ergänzt Dr. Lüdtke.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover