Bisher war bekannt, dass das Piezo2-Molekül als molekularer Sensor wirkt, der vor allem eine Rolle dabei spielt, wie Berührung, Bewegung und Körperpositionierung im Raum wahrgenommen werden. In sensorischen Nervenzellen bildet das Molekül einen Ionenkanal, der sich bei Berührung, Druck oder Bewegung öffnet. In der Folge strömen elektrische Teilchen hindurch und es entsteht ein elektrisches Signal in der Nervenzelle, das dann an das Gehirn weitergeleitet wird und so den äußeren Reiz vermittelt. Forscher vom Scripps Research Institute (TSRI) konnten nun zeigen, dass Piezo2 auch misst, wie stark die Lunge mit Luft befüllt ist (siehe Nature, Online-Veröffentlichung am 1.12.2016). Das Molekül scheint somit eine Schlüsselrolle bei der Regulation der Atmung zu spielen.
Die Funktion von Piezo2 wurde in einem genetisch veränderten Tiermodell untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Lungen von neugeborenen Mäusen, denen der Ionenkanal fehlte, sich nicht richtig ausweiteten und die Tiere nur sehr flach atmen konnten. Wenn der Piezo2-Ionenkanal fehlt oder defekt ist, kann die Nervenzelle die Veränderung des Lungenvolumens nicht richtig an das Gehirn weitergeben. Umgekehrt sei das Gehirn dann offenbar auch nicht mehr in der Lage, korrekte Signale für die Atmung an die Lunge zu liefern. Anderen, aktuellen Studien zufolge zeigen auch Kinder mit einer Störung im piezo2-Gen eine flache Atmung und müssen medizinisch betreut werden.
Abweichende Ergebnisse zeigen sich bei erwachsenen Mäusen mit defektem Piezo2-Molekül. Diese Tiere konnten weiterhin atmen, allerdings war der sogenannte Hering-Breuer-Reflex gestört. Dieser Schutzreflex der Lunge verhindert normalerweise, dass zu viel Luft eingeatmet wird und sich das Lungengewebe überdehnt. Auch COPD-Patienten zeigen oft einen geschwächten Hering-Breuer-Reflex. Man nimmt an, dass auch Krankheitsbilder wie Schlafapnoe und Plötzlicher Kindstod mit defekten sensorischen Nervenzellen im Bereich der Atemwege in Verbindung stehen. Weitere Forschungen am piezo2-Gen können möglicherweise dabei helfen, in Zukunft besser zu verstehen, wie diese Krankheiten entstehen und dann auch für die Entwicklung neuer Therapieansätze von Nutzen sein.
Quelle: lungeninformationsdienst