Wie die anderen zwei bekannten Coronavirustypen, die für Menschen gefährlich werden können (SARS und MERS), befällt auch das neue Coronavirus (2019-nCOV) die unteren – nicht die oberen – Atemwege. 2019-nCOV benutzt offenbar die gleichen Andockstellen (Zellrezeptoren) wie das SARS-Virus, um in die Lungenzellen bei Menschen einzudringen. Wie man heute weiß, war die Übertragbarkeit zwischen Menschen beim SARS-Virus zunächst mäßig und hat sich dann mit der Zeit (von 2002 bis 2004) aufgrund von Genveränderungen (Mutationen) stark verbessert, so dass das SARS-Virus immer virulenter wurde. Eine solche Anpassung an die Wirtszellen ist bei Coronaviren aufgrund ihrer Fähigkeit zu häufigen Mutationen und Gen-Rekombinationen nicht ungewöhnlich, deshalb muss man damit rechnen, dass auch der neue Erreger (2019-nCOV) seine Übertragbarkeit und Virulenz mit der Zeit noch steigern könnte und damit auch schwerere Krankheitsverläufe verursachen könnte.
Was bisher über das neue Coronavirus aus China bekannt ist
Der neue Erreger (2019-nCOV) stammt offenbar von einem Markt in Wuhan (China), wo er vermutlich von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Bisher geht man davon aus, dass das neue Vius über Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragbar ist, wobei diese sogar eher in Form von größeren Tropfen erfolgen soll als über feinste Aerosole oder andere Krankheitsträger (siehe NEJM; Editorial (24.1.2020). „Das würde die Prävention im Vergleich zur SARS-Epidemie womöglich erleichtern, wobei zur Vorbeugung einer Ansteckung nicht nur das Tragen einer Atemschutzmaske, sondern auch häufiges Händewaschen wichtig ist“, erklärt Prof. Gillissen. Im Gegensatz zu SARS oder MERS soll das neue Coronavirus bisher eher milde Krankheitsverläufe hervorrufen. Todesfälle sind außerdem bislang ausschließlich bei älteren Menschen mit schweren Begleiterkrankungen (wie Herzkrankheiten oder Diabetes) aufgetreten.
Genomsequenzierung des Virus verbessert das Erkennen von Identifizierten
Vor kurzem wurde das Genom des neuen Coronavirus sequenziert, daher ist der Erreger jetzt durch spezielle Tests schneller identifizierbar. Das berichten Forscher aus Peking (siehe NEJM, Online-Veröffentlichung am 24.1.2020). Genetisch gesehen hat der neue Erreger (2019-nCOV) eine 75 bis 80 %-ige Übereinstimmung mit dem SARS-Virus, vermag aber im Vergleich zum SARS-Virus noch besser in menschlichen Atemwegszellen als in Standard-Kulturzellen zu wachsen und ist noch enger verwandt mit verschiedenen Fledermaus-Coronaviren. „Da das Genom des Erregers jetzt bekannt ist, wird sich die tatsächliche Verbreitung des Virus - weltweit aber u.a. auch auf chinesischen Fisch- und Wildfleischmärkten - und das Auftreten von Infektionen bei Menschen künftig genauer dokumentieren lassen. Außerdem kann die Kenntnis der Genomsequenz auch die Entwicklung von Impfstoffen und antiviralen Medikamenten vorantreiben“, kommentiert Prof. Gillissen die Studienergebnisse.
Milder Krankheitsverlauf erleichtert die Übertragbarkeit des Virus
Bei milden Krankheitsverläufen ist es eher wahrscheinlich, dass einige Krankheitsfälle übersehen werden und das Virus dann unbemerkt von Infizierten an weitere Menschen übertragen werden kann (siehe NEJM, Perspective, 24.1.2020). „Bei geringen Krankheitsbeschwerden können Virusträger auch eher weiterhin zur Arbeit gehen oder verreisen und das Virus somit weiter - auch international - verbreiten“, gibt Prof. Gillissen zu bedenken. Zugleich ist die Inkubationszeit des neuen Coronavirus offenbar sehr variabel: Bisher ist bekannt, dass es nach einer Infektion bis zum Auftreten von Symptomen (Fieber, Trockener Husten oder Atemnot) zwei Tage oder auch zwei Wochen dauern kann, was die Virusübertragung von gesund wirkenden Infizierten auf Gesunde in einem relativ weiten Zeitraum ermöglicht.
Krankenhäuser hierzulande sind für Epidemie gewappnet
Man muss also davon ausgehen, dass das neue Coronavirus sich weiter ausbreiten wird und dass es grundsätzlich auch die Potenz hat, durch Mutationen für Menschen noch gefährlicher zu werden. Mit Methoden der Symptomüberwachung (Fieber, trockener Husten und Atemnot), Isolierung von Verdachtsfällen und Kontaktpersonen sowie Quarantäne der Infizierten konnten sowohl das gefährliche SARS-Virus als auch das Ebolavirus unter Kontrolle gebracht werden. „Deshalb ist es momentan so wichtig, jeden einzelnen potenziellen Infektionsfall (z. B. nach einer China-Reise aus dem Wuhan-Gebiet) zu identifizieren und zu analysieren, um noch unbekannte Übertragungsketten so bald wie möglich durchbrechen zu können. Zudem werden mehr molekularbiologische und epidemiologische Daten zur genaueren Einschätzung der Übertragbarkeit des Virus benötigt. Im Bedarfsfall können die Krankenhäuser in Deutschland aber auf jeden Fall auf ausgearbeitete Pandemiepläne zugreifen. Auf diesem Weg ist zu hoffen, dass sich das neue Coronavirus baldmöglichst effektiv eindämmen lässt und wir das gesamte Potenzial dieses Erregers gar nicht erst kennenlernen müssen“, fasst Prof. Gillissen zusammen.
Studien:
- NEJM, Online-Veröffentlichung am 24.1.2020
- NEJM; Editorial (24.1.2020)
- NEJM, Perspective (24.1.2020)
Autor: äin-red
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