Die Lunge eines Erwachsenen besteht aus verschiedenen, hochspezialisierten Zelltypen, die von einer Vielzahl an Immunzellen beschützt werden. Wie sich diese im Embryo und nach der Geburt in der Lunge ansiedeln und gegenseitig beeinflussen, ist jedoch in weiten Teilen noch unerforscht. Israelische und Österreichische ForscherInnen haben nun mit eigens entwickelten Hightech-Verfahren im Mausmodell einen neuen, grundliegenden Mechanismus entdeckt (siehe Cell, Online-Veröffentlichung am 11.10.2018): Basophile, bisher hauptsächlich für allergische Reaktionen bekannte Immunzellen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Fresszellen in der Lunge.
Zwei Lungenflügel mit astförmigen Bronchien, die sich bis in die Lungenbläschen verzweigen - so viel ist vom Aufbau der Lunge wohl den meisten bekannt. Will man das Atmungsorgan jedoch wirklich verstehen, muss man genauer hinschauen: Eine große Bandbreite spezialisierter Zellen arbeiten eng zusammen, damit die Lunge reibungslos funktioniert und der lebenswichtige Gasaustausch stattfinden kann. Darunter auch eine ganze Palette an Immunzellen, die eindringende Mikroorganismen in Schach halten und gleichzeitig dafür sorgen, dass Entzündungen beschränkt bleiben, um die Lungenfunktion nicht zu beeinträchtigen. Das erfordert ausgefeilte Kommunikation zwischen den Zelltypen und eine straff organisierte Aufgabenteilung.
Über die Entwicklung dieses hochkomplexen Organs während der Embryonalphase und kurz nach der Geburt lag vieles bisher im Dunkeln. ForscherInnen aus Israel und Österreich gelang es nun, einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Immunologie der Lungenentwicklung zu liefern. Die Forschungsgruppe von Ido Amit vom Weizmann Institute of Science konnte - gemeinsam mit den Teams von Sylvia Knapp am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und an der Klinik für Innere Medizin 1 der Medizinischen Universität Wien und von Tibor Harkany am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien - durch eine Kombination aus zehntausenden Einzelzell-RNA-Analysen zusammen mit Zelloberflächenfärbungen sowie neuesten Mikroskopiemethoden die bislang erste vollständige Entwicklungskarte der Lunge nachzeichnen.
Das Ergebnis überraschte: basophile Granulozyten, Zellen des Immunsystems, die man bisher für allergische Reaktionen verantwortlich zeichnete, sind als eigene Unterart in der Lunge ansässig und produzieren hier entscheidende Wachstumsfaktoren und Zytokine für die Entwicklung der Lunge. Sie unterscheiden sich stark von bisher bekannten Basophilen, die im Blut zirkulieren. Zudem war über eine Rolle dieser Immunzellen in der Entwicklung und Selbstregulation der Lunge bisher nichts bekannt.
„Wir konnten zeigen, dass die Lungenentwicklung in mehreren Schüben verläuft, und dass die Basophilen der Lunge eine wichtige Rolle dabei einnehmen“, erklärt Anna-Dorothea Gorki, CeMM PhD-Studentin und Co-Erstautorin der Studie. „Sie interagieren auf breiter Basis mit anderen Zelltypen der Lunge, insbesondere den Makrophagen, einer wichtigen Art von Immunzellen. Molekulare Signale, die von Basophilen ausgeschüttet werden, führen zur Reifung der Makrophagen-Vorläufer in ihrer lungenspezifischen Form, die sogenannten Alveolarmakrophagen.“
Diese Entdeckung sei klinisch interessant, ergänzt Sylvia Knapp, Forschungsgruppenleiterin am CeMM und Professorin an der MedUni Wien: „Diese außergewöhnliche Funktion der Basophilen und ihr Einfluss auf Makrophagen weisen darauf hin, dass sie auch bei Lungenerkrankungen eine Rolle spielen könnten und somit auch ein potentielles, therapeutisches Ziel für Immuntherapien darstellen.“
Quelle: CeMM (Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy of Sciences)