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Wenn Fresszellen Verdauungsprobleme haben

Damit die Atmung funktioniert, wird in der Lunge ein Schutzfilm für die Lungenbläschen (Surfactant) gebildet und von Fresszellen abgebaut. Dabei spielt ein Transkriptionsfaktor eine zentrale Rolle.

Damit der Gasaustausch zwischen Atemluft und Blut über die Lungenbläschen (Alveolen) reibungslos funktioniert, produzieren die Epithelzellen der Lungenbläschen einen Schutzfilm (Surfactant). Die Substanz, die sich wie ein Film über die Alveolen legt, besteht überwiegend aus Phospholipiden und Proteinen und setzt zum einen die Oberflächenspannung der Lungenbläschen herab. Gleichzeitig fängt sie wie ein Filter zuverlässig Bakterien und Viren ab, die mit der Atemluft an die Lunge gelangen. Das Sekret muss ständig nachproduziert werden.

Die Fresszellen in der Lunge (Alveolarmakrophagen) bauen derweil das verbrauchte Surfactant ab. So wird die Homöostase aufrechterhalten. „Funktioniert das nicht, reichert sich immer mehr Sekret in der Lunge an, was die Atmung beeinträchtigt und das Risiko für Lungeninfektionen erhöht“, erklärt Prof. Alexander Mildner, bislang Heisenberg-Stipendiat am Max Delbrück Center und nun Arbeitsgruppenleiter an der Universität Turku (Finnland). Mildner erforscht bereits seit 20 Jahren Makrophagen und hat mit seinen Kollegen vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in der Helmholtz-Gemeinschaft untersucht, was diese lungenspezifischen Fresszellen an der Arbeit hindert (siehe Science Immunology, online seit 16.9.2022).

Die Anreicherung von Surfactant kann zu Pulmonaler Alveolärer Proteinose (PAP) führen. In schweren Fällen dieser bislang unheilbaren Krankheit muss die Lunge der Patienten regelmäßig gespült werden, um überschüssiges Sekret zu entfernen.

Ausgangspunkt für die Studie war der Befund, dass sich Alveolarmakrophagen nicht richtig entwickeln können, wenn ihnen ein spezieller Transkriptionsfaktor (C/EBP beta) fehlt. Die Funktionsweise dieses Transkriptionsfaktors erforscht Prof. Achim Leutz seit Langem. Am MDC leitet er die Arbeitsgruppe „Zelldifferenzierung und Tumorgenese“, er war Gastgeber für Mildners unabhängige Forschungsgruppe. Weitere MDC-Forschende, darunter Dr. Uta Höpken und Dr. Darío Jesús Lupiáñez García, waren ebenfalls an der Studie beteiligt. Das Team konnte durch molekularbiologische Studien und Tierexperimente nun die Rolle von C/EBP beta aufklären.

„Wir haben Alveolarmakrophagen von gesunden Mäusen und solchen, denen das Gen für C/EBP beta fehlt, isoliert und In-vitro-Tests sowie diverse Genom- und Transkriptomanalysen durchgeführt“, erklärt Erstautorin Dr. Dorothea Dörr. Konkret hat die Forscherin die biologischen und molekularbiologischen Eigenschaften der Alveolarmakrophagen untersucht. Sprich: wie gut sie in der Lage sind, Lipide aufzunehmen und zu verstoffwechseln. Während die Makrophagen gesunder Mäuse ordentlich ihre Arbeit verrichteten, nahmen die der genveränderten Mäuse zwar sehr viel Lipid auf und speicherten es – konnten es aber nicht mehr verdauen. Die Fresszellen quollen schaumartig auf, gingen bald zugrunde und die Lipide lagerten sich vermehrt ab. Genauso, wie Mediziner es von der Lungenkrankheit PAP kennen. Außerdem konnten sich die defekten Makrophagen kaum noch vermehren.

Molekularbiologische Analysen ergaben, dass bei Mäusen, denen das C/EBP beta fehlt, ein weiteres wichtiges Gen herunterreguliert ist: PPARg, ebenfalls ein Transkriptionsfaktor. Wird er aktiviert, kurbelt dies im Körper unter anderem die Aufnahme von Fettsäuren sowie die Differenzierung von Fettzellen an – und von Makrophagen.

Die Lungenkrankheit PAP wird meist durch einen fehlerhaften Signalweg des Zytokins GM-CSF ausgelöst. GM-CSF steht für Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor. „Es war bekannt, dass über den GM-CSF-Signalweg wesentliche Funktionen von Alveolarmakrophagen gesteuert werden. Wir haben nun gesehen, dass Makrophagen, die einen Defekt an C/EBP? haben, schwere Fehlfunktionen in der Proliferation dieser Zellen und dem Abbau des Surfactant zeigen und bei Mäusen ein PAP-ähnliches Syndrom hervorrufen“, erklärt Mildner. C/EBP beta ist das bislang fehlende Bindeglied zwischen dem GM-CSF- und dem PPARg-Signalweg. „Das ist wie bei einem Puzzle: Setzt man ein bestimmtes Teil ein, lassen sich andere, die noch fehlen, plötzlich viel leichter einordnen“, erläutert Leutz.

Makrophagen, allgemein als Fresszellen des Immunsystems bekannt, können weit mehr, als Bakterien und Viren „abzuräumen“. Jedes einzelne Organ hält sich spezialisierte Makrophagen. Zum Beispiel haben sie beim Umbau des Gehirns die Aufgabe, nicht mehr benötigte Nervenzellen abzubauen. Tun sie das nicht, können Erkrankungen des zentralen Nervensystems entstehen.

Ebenso wie PAP beruht auch eine sehr wichtige Gefäßkrankheit auf fehlerhaftem Lipidstoffwechsel: Atherosklerose. Während dieser Erkrankung lagern sich immer mehr Fett-Tröpfchen an den Gefäßwänden ab. Sie werden von weißen Blutkörperchen wie Makrophagen aufgenommen. Diese speichern die Lipide, können sie aber nicht richtig abbauen, quellen daher auf und bilden Plaques. Wenn die Plaques durch mechanische Reize aufbrechen, strömt das Fett aus, verklumpt und kann Arterien verstopfen. Es drohen Schlaganfall oder Herzinfarkt.

„Wir denken, dass der von uns aufgeklärte Signalweg in vielen Lipid-assoziierten Erkrankungen wichtig sein könnte“, berichtet Mildner. „Und so stellt sich die Frage, ob das, was wir von den Alveolarmakrophagen gelernt haben, uns vielleicht auch hilft, Atherosklerose und krankhaftes Übergewicht besser zu verstehen.“

Was PAP angeht, könnte nun eine neue Therapie in Sicht sein. Es gibt bereits Wirkstoffe, die PPARg modulieren können. In Kombination mit einem Medikament, das C/EBP beta aktiviert, ließe sich vielleicht die Fettverdauung gestörter Alveolarmakrophagen in Schwung bringen.

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft