Mit Bewegungsarmbändern lässt sich die Atemfrequenz von schlafenden Menschen relativ genau bestimmen. Das zeigt eine neue Studie von Forscherinnen und Forschern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zusammen mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin (siehe Scientific Reports, Online-Veröffentlichung am 3.9.2020). Die Armbänder könnten perspektivisch der Früherkennung von Krankheiten dienen, da sich über die Atemfrequenz Hinweise auf noch unerkannte medizinische Probleme finden lassen.
Die Atmung verrät viel über die Gesundheit von Patienten. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Abweichungen von der normalen Atemfrequenz von etwa 12 bis 18 Mal pro Minute sogar Hinweise auf ernsthafte Erkrankungen geben können. Atmen Patienten etwa weniger als sechs Mal pro Minute, ist das ein stärkerer Hinweis auf lebensgefährliche Probleme als ein abweichender Herzschlag. Eine besonders schnelle Atmung kann hingegen ein früher Hinweis auf Herzprobleme sein. „Die Relevanz der Atemfrequenz findet jedoch bisher wenig Beachtung bei der Früherkennung medizinischer Risiken“, erklärt PD Dr. Jan Kantelhardt, Physiker an der MLU. Seine Arbeitsgruppe untersucht seit einigen Jahren, wie physikalische Daten von Messgeräten für eine bessere Diagnostik genutzt werden können.
Wirklich zuverlässig kann die Atemfrequenz über längere Zeiträume bisher nur in Kliniken mit entsprechender Ausstattung aufgezeichnet werden. Im Rahmen von Gesundheitsstudien mit mehreren Hunderttausenden Teilnehmern beispielsweise werden jedoch weniger aufwendige Möglichkeiten benötigt. Bislang kommt dann häufig ein einfaches Elektrokardiogramm (EKG) zum Einsatz, das Herzfrequenz und -rhythmus misst und so Rückschlüsse auf die Atmung erlaubt. „Wir haben nach einer neuen Methode gesucht, um mit relativ günstigen Mitteln die Atmung zu messen“, berichtet Kantelhardt.
Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Penzel vom Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrum der Charité wollte das Team aus Halle überprüfen, ob spezielle Bewegungsarmbänder eine verlässliche Alternative zum EKG sein könnten. Dafür legten die Mitarbeiter im Schlaflabor der Charité circa 400 Patienten neben den dort üblichen Geräten zusätzlich ein Armband an, das Bewegungen registrieren und außerdem über eine auf die Haut geklebte Elektrode ein einfaches EKG messen kann. „Die Armbänder sind vergleichbar mit Fitnessarmbändern, nur sind sie um einiges genauer. Außerdem können wir mit einer eigenen Software die Rohdaten analysieren“, erläutert Kantelhardt. So können die Forschenden bereits leichteste Bewegungen erkennen - also auch, wenn sich der Arm beim Atmen im Schlaf leicht dreht.
Im Abgleich mit den Daten des Schlaflabors zeigte sich, dass diese minimalen Bewegungen genauere Rückschlüsse auf die Atmung erlauben als das gleichzeitig gemessene EKG. „Bei zu viel Bewegung lässt sich die Atmung mit den Armbändern nicht mehr messen. Wir finden aber immer einige Abschnitte in der Nacht, wo wir die Atmung sehr zuverlässig beobachten können“, so Kantelhardt. Die Armbänder könnten dem Forscher zufolge beispielsweise zur Diagnostik vor dem Aufenthalt in einem Schlaflabor genutzt werden.
Die neue Methode soll aber zunächst dazu dienen, einen Teil der Daten der sogenannten NAKO-Gesundheitsstudie auszuwerten. Im Rahmen der 2014 gestarteten bundesweiten Studie werden circa 200.000 Menschen über viele Jahre zu ihren Lebensumständen und ihrer Krankheitsgeschichte befragt und medizinisch untersucht. Ein Teil der Teilnehmer erhielt außerdem die gleichen Bewegungsarmbänder wie in der aktuellen Studie. Ziel des Projekts insgesamt ist es, die Entstehung von Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes oder Herz-Rhythmus-Störungen besser zu verstehen, um Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung in Deutschland zu verbessern.
Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg