Bei der Behandlung von quälendem Husten ist eine Linderung erwünscht, gleichzeitig sollte der für eine optimale Lungengesundheit notwendige und somit protektive Hustenreiz aber möglichst nicht beeinträchtigt werden. Ein Schlüssel dafür könnte Wissenschaftlern zufolge darin liegen, medikamentös auf die verschiedenen, jeweils beteiligten Schaltkreise im Gehirn einzuwirken.
Der Hustenvorgang beginnt normalerweise mit einem Reiz im Rachen bzw. Kehlkopf, in den oberen Atemwegen oder in der Lunge, der die den Husten hervorrufenden sensorischen Nerven aktiviert. Diese sensorischen Nerven übertragen diese Informationen an das Gehirn, wo die Informationen die Tätigkeit der Atemmuskeln modifizieren, um eine Hustenreaktion hervorzurufen. Diese Signale sind manchmal auch mit Signalen höherer Ordnung kombiniert, die ein Kitzeln im Hals verursachen bzw. Ärger oder Angst vor einem Husten auslösen und es möglich machen, dass man den Husten entweder unterdrückt oder freiwillig verstärkt.
Ältere Untersuchungen an Tieren und Menschen deuteten zunächst darauf hin, dass das Gehirn jeden Input sensorischer Hustennerven in einem einzigen Bereich verarbeitet. Später steklte sich allerdings heraus, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall ist. Stattdessen entdeckten dieselben Forscher, dass voneinander unabhängige Signalwege im Gehirn beteiligt sind - je nachdem ob die Reaktion auf einen „guten“ Hustenreiz (zur Reinigung der Atemwege, um eine optimale Lungengesundheit sicherzustellen) oder einen „schlechten“ Hustenreiz (Anzeichen einer Erkrankung) erfolgt.
In dieser neuen Studie von Forschern der Monash University und der University of Melbourne (siehe The Journal of Physiology, Online-Veröffentlichung am 7.10.2020) wurden Probanden Verhaltenstests unterzogen, um die Empfindlichkeit des Hustenreflexes zu bewerten, gefolgt von einer Magnetresonanztomographie des Gehirns zwecks funktioneller Bildgebung, während verschiedene chemische Substanzen eingeatmet wurden. Einer dieser chemischen Stimuli stellt Capsaicin dar. Von dieser Substanz weiß man, dass sie zwei Untergruppen von sensorischen Atemwegsnerven aktiviert, die am Husten beteiligt sind.
Ein weiterer chemischer Stimulus war Adenosintriphosphat (ATP), das als Energieträger-Molekül in Zellen bekannt ist, aber auch selektiv eine der beiden Untergruppen sensorischer Nerven aktiviert, die am Husten beteiligt sind. Der dritte chemische Reiz war physiologische Kochsalzlösung, die als Kontrollreiz diente, da sie keine sensorischen Nerven aktiviert.
Während wiederholter Provokationen mit diesen Stimuli wurden hochauflösende Hirnstamm-Scans aufgenommen und analysiert, mit dem Ziel festzustellen, wo im Hirnstamm sich die neuronalen Reaktionen auf Capsaicin und ATP abspielen. Das Ergebnis zeigte, dass die ATP-Inhalation nur den Kern des Solitärtraktes aktivierte, während die Capsaicin-Inhalation sowohl den Kern des Solitärtraktes als auch den Bereich des Hirnstamms aktivierte, der den sog. paratrigeminalen Kern enthält.
Diese Daten bestätigen die früheren Studien des Teams mit Meerschweinchen, in denen ein Husten-Signalweg (sensitiv gegenüber Capsaicin und ATP) in den Kern des Solitärtraktes integriert war, während der andere Husten-Signalweg (nur empfindlich gegenüber Capsaicin) die Integration in den paratrigeminalen Kern beinhaltete.
„Chronischer Husten ist schrecklich unangenehm“, berichtet Seniorautor Prof. Stuart Mazzone. „Menschen können jahrelang hunderte Male pro Stunde in der Zeit, in der sie wach sind, husten, und aktuelle Medikamente lindern dieses Leiden nicht wirksam. Wir führen jetzt eine ähnliche Studie durch, in der verglichen wird, wie diese beiden unterschiedlichen Netzwerke im Gehirn bei Patienten mit chronischem störendem Husten im Vergleich zu gesunden Teilnehmern reagieren. Diese neue Studie ist auch durch die jüngsten Ergebnisse klinischer Studien motiviert, die eine vielversprechende hustenunterdrückende Wirkung von Arzneimitteln zeigen, die ATP-Rezeptoren hemmen. Wie ATP an Husten beteiligt ist, ist noch nicht vollständig verstanden. Wir vermuten, dass sich die Reaktion auf ATP bei Patienten mit chronischem Husten verändert und der neu identifizierte Husten-Schaltkreislauf im Gehirn an dieser Veränderung beteiligt sein könnte.“
Quelle: The Physiological Society am 07.10.2020 & Biermann-Medizin am 8.10.2020