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Was Pilze infektiös macht

Ein Team von Wissenschaftlern aus Jena, Paris und Perugia hat herausgefunden, warum Pilzsporen beim gesunden Menschen keine Allergien oder immunologische Abwehrreaktionen hervorrufen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Nature publiziert.

Tagtäglich atmen wir einige tausend Pilzsporen ein, die diesen Organismen zur Verbreitung über die Luft dienen und bei bestimmten Pilzgruppen auch als Konidien bezeichnet werden. In der Nähe von Kompostieranlagen kann die Anzahl der Sporen in der Luft sogar leicht eine Milliarde pro Kubikmeter überschreiten. Obwohl Pilzsporen viele Substanzen (vor allem Proteine und Zuckerverbindungen) enthalten, die für den menschlichen Organismus fremd sind und daher vom Immunsystem erkannt und bekämpft werden sollten, kommt es in der Regel weder zu einer erkennbaren Immunabwehr, noch zu allergischen Reaktionen. Auch erkranken gesunde Menschen normalerweise nicht an Pilzinfektionen der Lunge, das heißt die Sporen können sich dort nicht ansiedeln und auch nicht auskeimen. Das gelingt nur bei Menschen, die bereits an anderen Erkrankungen leiden und deren Immunabwehr geschwächt ist.

Forscher vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, dem Hans-Knöll-Institut und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sowie vom Pariser Institut Pasteur und von der Universität Perugia haben nun gemeinsam herausgefunden, was Pilze infektiös macht (siehe Nature 2009, Band 460, Seite 1117-1121). Dazu untersuchten sie verschiedene über die Luft verbreitete Arten, darunter auch den für den Menschen gefährlichen Schimmelpilz Aspergillus fumigatus. Dabei konnten sie ein charakteristisches, auf der Oberfläche der Pilzsporen sitzendes Protein identifizieren. Dieses als RodA bezeichnete, wasserabweisende Eiweiß (Hydrophobin) ist immunologisch völlig inaktiv. Versuche mit isolierten Immunzellen und mit Mäusen zeigten, dass RodA weder Alveolarmakrophagen noch dendritische Zellen oder T-Helferzellen aktiviert. Alveolarmakrophagen sind eigentlich dafür verantwortlich, Fremdkörper wie Bakterien, Viren oder eben Pilzsporen in der Lunge zu erkennen, in sich aufzunehmen und damit unschädlich zu machen. Dendritische Zellen und T-Helferzellen sind an der Regulation des Immunsystems bei Säugetieren beteiligt und sorgen unter anderem für Entzündungsreaktionen und die Bildung spezifischer Antikörper die Eindringlinge erkennen und markieren. Aus diesen Beobachtungen leiteten die Wissenschaftler die Hypothese ab, dass das Eiweiß RodA die Pilzsporen wie eine Hülle umgibt und die Sporen gewissermaßen maskiert, so dass eine Immunreaktion des Menschen, in dessen Lunge sie eingedrungen sind, unterbleibt.

Zur Bestätigung ihrer Vermutung entfernten die Forscher durch chemische Behandlung das Protein von den Pilzsporen. Außerdem erzeugten sie genveränderte Mutanten des Pilzes, denen die Fähigkeit zur Bildung von RodA fehlte. In anschließenden Tierversuchen zeigte sich dann, dass die in der Oberflächenstruktur veränderten Pilzzellen plötzlich hochgradig immunologisch aktiv waren. So wanderten Immunzellen massenhaft in das behandelte Lungengewebe ein. Außerdem wurde die Ausschüttung von Botenstoffen – so genannten Chemokinen - nachgewiesen, die an Entzündungsreaktionen beteiligt sind. Auch die bereits erwähnten Alveolarmakrophagen wurden aktiviert und begannen, die ihrer Maskierung beraubten Konidien aufzunehmen und zu verdauen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die gemeinsame Evolution von Mikroorganismen und Säugetieren in diesem Fall für beide Seiten Vorteile bringt: Die Sporen bleiben zunächst unerkannt und erhalten somit Gelegenheit, in der Lunge des Wirtes auszukeimen und sich einen für sie günstigen Lebensraum zu erschließen - mit möglicherweise fatalen Folgen für den betroffenen Patienten. Andererseits reagiert das menschliche Immunsystem nicht gleich bei jedem Kontakt mit Mikroorganismen mit einer starken Aktivierung, die sich in allergischen Reaktionen oder einer Entzündung äußern würde. Offenbar erst dann, wenn die Konidien des Pilzes beginnen, auszukeimen und das menschliche Gewebe zu besiedeln, wird eine effektive Erkennung und Abwehr durch das Immunsystem erforderlich. Da die Sporen während ihrer Keimung das Protein RodA verlieren, steht diesem Procedere auch nichts im Wege. Nach Ansicht der Forscher zeigt das Beispiel, wie fein ausbalanciert die Kommunikationsprozesse zwischen Mensch und Mikrobe sind, und wie schmal der Grat sein kann, der zwischen der natürlichen Widerstandskraft gegen eine Krankheit und dem Ausbruch einer Infektion verläuft.