Wenn Menschen an einer bakteriellen Infektion erkranken, steht zunächst die Behandlung der Erkrankung im Vordergrund. Aber woher kommen solche Krankheitserreger eigentlich und wo leben sie, wenn Sie nicht im Zusammenhang mit einer Infektion in Erscheinung treten? Ein internationales Team um Matthias Horn vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien hat dies am Beispiel von Legionella pneumophila, dem Erreger der Legionärskrankheit (Legionellose), untersucht (siehe mBio, Online-Veröffentlichung am 11.6.2019).
Die Legionellose ist eine atypische Lungenentzündung, die für gesunde Menschen eher harmlos ist, bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem aber lebensbedrohlich sein kann. Die Anzahl an Erkrankungen durch Legionellen ist in den 2000er Jahren weltweit stetig gestiegen. Der letzte große Ausbruch in Europa ereignete sich im September 2018 in der italienischen Stadt Brescia. Über 400 Patienten erkrankten an Lungenentzündung und wurden im Spital behandelt.
Der natürliche Lebensraum der Legionellen sind Sedimente von Seen und Flüssen, sie kommen aber auch in Wasserleitungssystemen vor. „Dort vermehren sie sich in Einzellern, die sie anschließend zerstören. Genau diese Eigenschaft erlaubt Legionellen auch die Infektion des Menschen. Zur Erkrankung kommt es in der Regel erst nachdem sich Legionellen in Einzellern vermehrt haben", erklärt Matthias Horn vom neu gegründeten Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft, der gemeinsam mit seinem Team und Forschenden des Institut Pasteur sowie der University of Michigan das Leben der Legionellen in Einzellern untersucht hat.
Mit der Fähigkeit, in Einzellern zu überleben, sind Legionellen nicht allein. Einzeller beherbergen häufig auch andere Bakterien, die ihnen jedoch nicht schaden, sogenannte Endosymbionten. Das Forscherteam hat nun herausgefunden, dass diese Bakterien maßgeblich die Vermehrung und Verbreitung von Legionellen beeinflussen. In zahlreichen Experimenten konnten Sie nachweisen, dass Legionellen sich weniger gut in Amöben vermehren können, wenn letztere Endosymbionten enthalten. Erstaunlicherweise überleben die meisten Amöben mit Endosymbionten die ansonsten letale Infektion mit Legionellen. „Jene Bakterien, die sich vorher in Amöben mit Endosymbionten vermehrt hatten, waren deutlich weniger infektiös, konnten also weit weniger effizient neue Amöben attackieren“, berichtet Lena König, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft.
Um besser zu verstehen, was innerhalb von Amöben passiert, die zeitgleich Endosymbionten beherbergen und von Legionellen infiziert werden, haben die Forschenden sich die Genexpression beider Bakterien genauer angesehen. „Die RNA-Sequenzierung erlaubt Rückschlüsse auf biologische Ereignisse, die sich innerhalb der Einzeller abspielen“, erklärt Cecilia Wentrup, die als Postdoktorandin maßgeblich am Projekt beteiligt war. König ergänzt: „Dabei haben wir eine Erklärung für die Reduktion der Infektiosität der Legionellen gefunden. Diese scheinen nämlich den natürlichen Endosymbionten der Amöben in der Konkurrenz um Nährstoffe zu unterliegen, die beide von den Einzellern benötigen.“ Die Folge: Legionellen vermehren sich langsamer und können für die Infektion von Amöbe und Mensch notwendige Faktoren nicht produzieren. Die Krankheitserreger sind beispielsweise nicht beweglich und es fehlen ihnen wichtige Speicherstoffe.
Eine weitere Beobachtung ließ die ForscherInnen aufhorchen. Der Wachstumsstopp funktionierte nicht nur mit den üblicherweise verwendeten Laborstämmen, sondern auch mit frisch aus der Umwelt gewonnenen Amöben, sowie mit kürzlich isolierten Legionellen. Endosymbionten von Amöben sind also nicht nur unter Laborbedingungen, sondern vermutlich auch generell in der Umwelt ein wichtiger Faktor bei der Vermehrung und Verbreitung von Legionellen. Dies erscheint insbesondere deshalb interessant, da die meisten Einzeller unter natürlichen Bedingungen bakterielle Symbionten tragen.
Quelle: Universität Wien