Im Stallstaub haben Bochumer Forscher einen Stoff entdeckt, der Landkinder möglicherweise vor Allergien und allergischem Asthma schützt: Das Molekül Arabinogalaktan ist ein pflanzliches Zuckermolekül, das in großen Mengen in Futterpflanzen wie dem Wiesenfuchsschwanz (Alopecurus pratensis) vorkommt. Wie die Forscher aus Bochum, München und Borstel um Dr. Marcus Peters (Experimentelle Pneumologie der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Albrecht Bufe) im Journal of Allergy and Clinical Immunology (Online-Vorabveröffentlichung am 12.7.2010. ) berichten, konnten sie experimentell nachweisen, wie das Molekül auf Zellen des Immunsystems wirkt: Wenn Arabinogalaktan im ersten Lebensjahr in hoher Konzentration eingeatmet wird, hindert es das Immunsystem an überschießenden Abwehrreaktionen.
Dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, seltener an Allergien und allergischem Asthma leiden, ist schon länger bekannt. Was genau sie allerdings davor schützt, war lange rätselhaft. „Die Suche nach der schützenden Substanz war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen“, berichtet Dr. Marcus Peters. Untersucht wurde Stallstaub, der in den Stallungen verschiedener Bauernhöfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingesammelt worden war. Die Analyse des Staubs ergab, dass sich dieser hauptsächlich aus pflanzlichen Bestandteilen zusammensetzt, darunter mehr als zehn Prozent Arabinogalaktan, was sich somit als verdächtig qualifizierte.
Die Forscher prüften dann, wie sich das Immunsystem von Mäusen gegenüber potenziellen Allergenen verhält, wenn Arabinogalaktan-Moleküle anwesend sind. „Es hat sich gezeigt, dass die dendritischen Zellen, die den Immunzellen schädliche Eindringlinge präsentieren, um sie zur Abwehr zu stimulieren, in Anwesenheit von Arabinogalaktan ihr Verhalten ändern“, erläutert Dr. Peters. „Sie produzieren dann einen bestimmten Botenstoff, der die Immunreaktion dämpft.“ Welche Rezeptoren der dendritischen Zellen für den Mechanismus verantwortlich sind, muss noch untersucht werden. Zuckerrezeptoren sind generell wichtig für die Erkennung von fremden Partikeln durch das Immunsystem. „Die Abschwächung der Immunreaktion auf diesem Wege ist uns nicht neu“, erklärt Dr. Peters. „Auch manche Bakterien machen sich den Mechanismus gezielt zunutze, um die Immunantwort des Wirts abzuschwächen.“ Durch Arabinogalaktan wird aber nur die übersteigerte Wachsamkeit des Immunsystems verhindert – die Abwehr von Krankheitserregern funktioniert weiterhin normal.
Dass ausgerechnet ein Gras-Bestandteil vor Heuschnupfen schützt, wundert die Forscher nicht: „Das ist eine Konzentrationsfrage“, meint Dr. Marcus Peters. „In kleineren Konzentrationen können die Pollen des Wiesenfuchsschwanzes Allergien auslösen, in großen Dosen und sehr früh im Leben aber auch verhindern. Nichts anderes als eine Dosissteigerung ist ja auch die Strategie bei der Hyposensibilisierung.“ Ob sich Arabinogalaktan zur Prophylaxe oder auch zur Therapie von Allergien und allergischem Asthma einsetzen lässt, werden die Forscher jetzt untersuchen. Denkbar wäre eine Anwendung als Spray oder Nasentropfen, da die Substanz gut wasserlöslich ist.