Lungenkrebs ist mit jährlich über 50.000 Neuerkrankungen eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Trotzdem liegen bis dato kaum Zahlen zur Versorgungssituation der Betroffenen und den damit verbundenen Kosten vor. Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München haben nun anhand von umfangreichen Krankenkassendaten untersucht, was die Erkrankung kostet und welche Behandlung die beste Prognose hat (siehe Lung Cancer, Online-Veröffentlichung am 10.9.2011).
Die Wissenschaftler um Dr. Larissa Schwarzkopf und Prof. Reiner Leidl vom Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen untersuchten dafür die Daten von über 17.000 Lungenkrebspatienten (ca. 12.000 Männer und ca. 5.000 Frauen). „Unsere Ergebnisse beruhen auf den bundesweiten Leistungsdaten der AOK. Erfasst wurden Lungenkrebsfälle aus dem Jahr 2009, deren Entwicklung dann über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet wurde“, erklärt die Erstautorin Larissa Schwarzkopf. Dabei registrierten die Wissenschaftler Operationen, Chemotherapien und Bestrahlungen.
Die Forscher vom Helmholtz Zentrum München, die auch Teil des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) sind, fanden heraus, dass die höchsten Kosten in den ersten sechs Monaten nach der Diagnose anfallen. Dies sei vor allem bedingt durch einen stationären Aufenthalt der Betroffenen, so die Forscher. Ambulante onkologische Betreuung spiele demnach eine untergeordnete Rolle. Der durchschnittliche finanzielle Aufwand pro Fall Lungenkrebs betrug etwa 20.000 Euro. Je nach Art der Behandlung variiert dieser Wert aber sehr stark. Während die Strahlentherapie und die Operation mit etwa 26.000 beziehungsweise 20.000 Euro zu Buche schlugen, gab es auch Fälle (etwa ein Fünftel der Patienten), die keine krebsspezifische Therapie erhielten und für die lediglich 4.200 Euro aufgewendet wurden. Pro Jahr, das die Patienten überlebten, beliefen sich die Kosten im Schnitt auf 15.500 Euro.
Insgesamt stellten die Wissenschaftler fest, dass etwa ein Drittel der Patienten durch eine Operation behandelt wurde. Die Prognose dieser Gruppe war im Vergleich mit anderen Behandlungsarten wie Bestrahlung oder Chemotherapie (insgesamt knapp 47% der Betroffenen) deutlich besser. Die Experten geben allerdings zu bedenken, dass nicht in jedem Fall ein operativer Eingriff möglich oder sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang gewinnt nach Ansicht des Forscherteams die Weiterentwicklung von Früherkennungsmaßnahmen an Bedeutung. Denn auf diese Weise erhöht sich die Chance einer Diagnosestellung in einem noch operablen Krankheitsstadium.
„Diese Ergebnisse sind ein erster Schritt zu einem besseren Verständnis der Versorgungs- und Kostenstrukturen bei Lungenkrebs in Deutschland und bilden eine wichtige Referenz“, erläutert Studienleiter Reiner Leidl. „Für eine bessere Einschätzung der Versorgungsrealität wäre darüber hinaus eine genauere Untersuchung der angewendeten Arzneimitteltherapie von Interesse.“ Hierfür wollen die Wissenschaftler weitere Daten erheben. Die Arzneimitteltherapie in der Onkologie befindet sich in einem laufenden Wandel, so Schwarzkopf: „Erst gegen Ende des Studienzeitraums kamen moderne, gezielte Therapieansätze wie monoklonale Antikörper in die Versorgung. Diese Therapieansätze spielen – therapeutisch und ökonomisch – eine zunehmend wichtige Rolle. Hier würde sich ein künftiger Vergleich mit unseren Referenzdaten anbieten.“
Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt