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Warum Bergsteiger mitunter am Höhenlungenödem erkranken

Bei einem raschen Aufstieg in große Höhen kann sich Flüssigkeit in der Lunge ansammeln, so dass die Betroffenen zu ersticken drohen. Die Ursache dafür haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg jetzt herausgefunden.

Unter einem Lungenödem versteht man eine Flüssigkeitsansammlung in der Lunge, die zum Beispiel infolge von Herzschwäche auftreten kann. Die Betroffenen drohen zu ersticken. Ein Höhenlungenödem entsteht, wenn anfällige Personen rasch in große Höhen ab 3000 oder 3500 Meter aufsteigen. Begünstigt wird es durch körperliche Anstrengung und vermehrten Kältereiz. Einer molekularen Ursache dieser lebensbedrohlichen Erkrankung sind Ärzte des Universitätsklinikums Heidelberg jetzt auf die Spur gekommen. Sie haben festgestellt, dass anfällige Personen über zu wenig Stickoxid (NO) in den Lungen verfügen. Diese Erkenntnis, die das Heidelberger Forscherteam um den international renommierten Höhenmedizinforscher Prof. Dr. Peter Baertsch in der Fachzeitschrift American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine veröffentlicht hat, eröffnet neue Wege zur Behandlung bzw. Vorbeugung von Höhenlungenödemen und wurde mit dem Albrecht-Ludwig-Berblinger Preis 2006 der Deutschen Akademie für Flug- und Reisemedizin ausgezeichnet.

Warum es zu Sauerstoffmangel in großer Höhe kommt
Je höher ein Bergsteiger empor klettert, desto mehr sinkt der Luftdruck und desto weniger Sauerstoff ist in seiner Atemluft enthalten. Die roten Blutkörperchen können demzufolge nicht mehr genügend Sauerstoffmoleküle transportieren, um die Organe und Gewebe des Körpers ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Diesem Versorgungsengpass versucht der Körper so weit wie möglich entgegenzuwirken, indem er schlecht durchlüftete Lungenbezirke zugunsten von Gebieten, die besser mit Sauerstoff versorgt sind, "abklemmt": Die Blutgefäße der Lunge ziehen sich zusammen. Wenn die Gefäßverengung (Vasokonstriktion) allerdings zu stark ausfällt, steigt der Druck in den Lungengefäßen übermäßig an und es kommt zum Austritt von Flüssigkeit, die sich in den Lungenbläschen ansammelt. Die Funktion der Lunge ist dann nachhaltig gestört: Die Betroffenen verspüren Atemnot, atmen flach und rasch, das Herz schlägt schnell, Husten stellt sich ein und die Körpertemperatur steigt. Nur wenn ihnen der Abstieg noch rechtzeitig gelingt, kann sich dieser Zustand auch schnell wieder bessern. Andernfalls kann die Erkrankung aber tödlich enden.

Durchlässigkeit der Gefäßwände bei Sauerstoffmangel gestört
Die Heidelberger Wissenschaftler konnten durch Versuche im Höhenraum der Abteilung Sportmedizin zeigen, dass bei anfälligen Personen die Funktion des Endothels bei Sauerstoffmangel gestört ist. Endothelzellen produzieren Stickoxid (NO), das die benachbarten Muskelzellen in der Wand der Blutgefäße zur Entspannung bringt. Da es sich um ein sehr kleines Molekül handelt, kann es mühelos durch winzige Poren schlüpfen und zu seinem Bestimmungsziel gelangen. „Diese Endothelfunktion ist bei anfälligen Personen gestört, sobald sie in großer Höhe in Sauerstoffnot geraten", erklärt der Erstautor der Publikation, Dr. Marc Berger. „Stickoxid kann dann nicht mehr in ausreichender Menge gebildet werden und die deshalb ungebremste Vasokonstriktion lässt ein Höhenlungenödem entstehen.“ Weitere, noch nicht vollständig publizierte Daten aus einer internationalen Feldstudie, an der die Heidelberger Gruppe ebenfalls beteiligt war, zeigen, dass das Potenzmittel Cialis zur Vorbeugung des Höhenlungenödems verwendet werden kann, da es die NO-Wirkung verstärkt. Ein anderer viel versprechender Kandidat ist das Potenzmittel Viagra.

Quelle: American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine (2005), Band 172, Seite 763-765. Zusammenfassung (abstract)