Mehr als 50.000 Menschen in Deutschland erkranken pro Jahr an Lungenkrebs. Diese Erkrankung wird oft erst entdeckt, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Von einer Operation sehen Ärzte dann häufig ab, weil die Operation sehr riskant ist. „Bei diesen Patienten können wir versuchen, den Tumor durch eine Strahlentherapie zu verkleinern und durch Chemotherapie die Bildung von Metastasen zu verzögern“, erklärt Prof. Dr. med. Michael Baumann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Dresden. Den Wert der Chemotherapie belegen bereits jüngere Studien.
Der Nutzen einer zusätzlichen Bestrahlung wurde jetzt erstmals in einer größeren Studie untersucht (siehe British Journal of Cancer 2013, Band 109(6), Seite: 1467-75). Ergebnis: Bei weit fortgeschrittenem Lungenkrebs kann eine Strahlentherapie den Krebs zwar häufig nicht mehr heilen, sie kann aber den Tumor oft zumindest vorübergehend zurückdrängen. Das Verfahren wurde an 191 Patienten mit einem nicht operablen nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom, der häufigsten Lungenkrebsvariante, in Norwegen überprüft. Alle Patienten erhielten eine Chemotherapie. Bei der Hälfte wurde zusätzlich eine Strahlentherapie durchgeführt. „Die Entscheidung dafür fiel per Los, was jedoch Patienten oft nicht akzeptieren“, berichtet Professor Baumann: „Es konnten deshalb nicht die ursprünglich geplanten 305 Patienten in die Studie aufgenommen werden.“ Dennoch war das Ergebnis eindeutig: Die Chemoradiatio, wie die Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie auch genannt wird, verlängerte die mittlere Überlebenszeit der Patienten von 9,7 auf 12,6 Monate. Dabei verschlechterte sich die Lebensqualität nicht, abgesehen von einer kurzen Phase während der Bestrahlung selbst.
Die norwegische Studie ist die erste, die neben der Überlebenszeit auch die Lebensqualität der Patienten untersucht hat. „Dies ist besonders wichtig vor dem Hintergrund der Lebenssituation der Patienten“, erklärt Prof. Dr. med. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim. Der DEGRO-Pressesprecher rät dazu, die Auswirkungen der Strahlentherapie mit den Patienten zu besprechen. Die häufigste Komplikation war eine vorübergehende Entzündung der Speiseröhre, die Ösophagitis. Sie trat bei mehr als 85 Prozent der Patienten auf. Eine Ösophagitis kann für die Patienten kurzfristig sehr schmerzhaft sein und die Nahrungsaufnahme behindern. In der Studie kam es deswegen nicht selten zu Krankenhausaufenthalten.
„Wir meinen, dass diese Belastung nur vertretbar ist, wenn sie die Perspektive auf eine Lebensverlängerung bietet“, sagt Professor Wenz. Das galt in der Studie nur für Patienten, deren Alltagsaktivität durch die Krankheit noch nicht eingeschränkt war. Patienten, die durch Alter oder Erkrankung bereits stark behindert waren, hatten keinen Überlebensgewinn. „Wir würden diesen Patienten derzeit von einer Bestrahlung abraten“, erläutert Prof. Wenz. Bei anderen könne die Strahlentherapie helfen, die Überlebenszeit ohne große Einschränkungen der Lebensqualität zu verlängern. Prof. Wenz weist darauf hin, dass sich noch wirksamere Wege finden müssen, um die Speiseröhre vor der Strahlung noch besser als bisher zu schonen. „Vor allem aber muss jeder Patient zusammen mit dem Arzt individuell entscheiden, welche Therapie für ihn geeignet ist“, betont der Experte.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften