Rund 140 Quadratmeter Angriffsfläche bietet die Lunge der Umwelt - mit jedem Atemzug können neue Pathogene, Stäube oder giftige Dämpfe in sie eindringen. Insofern sind viele pneumologische Erkrankungen Folge einer intensiven Exposition durch Schadstoffe - darunter die chronisch-obstruktive Lungenkrankheit (COPD), die mittlerweile vierthäufigste Todesursache weltweit. Gleichzeitig aber macht die medikamentöse Behandlung solcher Lungenkrankheiten auch große Fortschritte. Das wurde auf dem Symposium „Perspektiven der pneumologischen Pharmakotherapie“ deutlich, das die Paul-Martini-Stiftung und die Akademie Leopoldina am 9. und 10. November in Berlin gemeinsam veranstalt haben. Führende deutsche Pneumologen und Wissenschaftler aus forschenden Unternehmen diskutierten dort unter Leitung von Prof. Dr. Werner Seeger, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, und Prof. Dr. Dr. h.c. Peter C. Scriba von der Ludwig-Maximilians-Universität München die neuesten Trends.
Eine Erfolgsgeschichte verbindet sich mit der chronischen pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH): Bis 1991 gab es für diese Krankheit praktisch keine Therapieoption. Die mittlere Überlebenszeit nach der Diagnose betrug knapp drei Jahre. Heute stehen dem Arzt bereits drei Klassen spezifischer Präparate zur Verfügung, die nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die Lebenserwartung der betroffenen Patienten verbessern. Kombinationen dieser Präparate und neue Medikamente sind in der Erprobung, so dass mit weiteren Fortschritten zu rechnen ist. Auf dem Symposium wurden zum Beispiel Ansätze einer möglichen Rückbildung der PAH vorgestellt, die durch eine gezielte Zellvermehrung und Veränderung der Lungengefäßarchitektur erreicht werden könnte. Dafür werden Kinasehemmer aus der Onkologie erprobt. Eine Regeneration von Lungengewebe könnte langfristig aber auch bei emphysematischen Erkrankungen möglich werden. Dabei soll in den geschädigten Lungenbläschen die Bildung von Unterteilungen (Septen) angeregt werden, wie sie sonst nur bei der vor- und nachgeburtlichen Lungenentwicklung ablaufen.
Anders als bei den meisten Organen des menschlichen Körpers können Wirkstoffe die Lunge nicht nur über die Blutbahn, sondern auch über die Lungenöberfläche (topisch) erreichen, wenn geeignete Darreichungsformen sie vor einer vorzeitigen Ablagerung in den zuführenden Atemwegen bewahren. Eine Möglichkeit besteht darin, die Lunge durch ein spezifisches Herabregulieren von Genaktivitäten (gene silencing) mit künstlichen RNA-Molekülen zu behandeln. Auch neuartige, bioabbaubare Kleinst-Transportmoleküle aus der Nanotechnik (so genannte Nanocarrier) zum Inhalieren von Wirkstoffen wurden auf dem Symposium vorgestellt.