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Untersuchungen zu Bakteriophagen auf Intensivstationen

Intensivstationen sind kritische Orte für die Übertragung gefährlicher Mikroorganismen. Weniger bekannt ist, dass Bakterien oft in synergistischer Beziehung zu speziellen Viren – sogenannten Bakteriophagen – stehen. Dadurch entwickeln die Bakterien neue Überlebensstrategien.

Phagen sind eine besondere Form von Viren, die sich als neue Waffe gegen Bakterien eignen könnten, insbesondere dort, wo Antibiotika aufgrund von Multiresistenzen versagen. Doch so einfach ist es nicht: Phagen können Bakterien nicht nur bekämpfen, sondern gehen mit ihnen auch synergetische Beziehungen ein – und stärken dadurch die Überlebensfähigkeit von Bakterien. ForscherInnen um Friederike Hilbert von der Universitätsklinik für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Cátia Pacífico von der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften veröffentlichten vor diesem kritischen Hintergrund nun die weltweit erste Studie zum Zusammenleben von Phagen und Bakterien auf Intensivstationen (siehe Journal of Clinical Medicine, Online-Veröffentlichung am 10.9.19).

Phagen sind die häufigsten Mitglieder des menschlichen Viroms (Gesamtheit der Virengene) und kommen in jeder untersuchten Gemeinschaft vor. Ihre weite Verbreitung in der Umwelt wirkt sich sowohl auf die Virusdiversifikation als auch auf den bakteriellen Wirt aus und formt mikrobielle Gemeinschaften zu einer erweiterten funktionalen Vielfalt der Ökosysteme. Sogenannte lytische Phagen töten ihre bakterielle Wirtszelle ab, während gemäßigte Bakteriophagen (lysogene Phagen) sich entweder in das Bakteriengenom integrieren (einen sogenannten Prophagen bilden) oder als Plasmid im bakteriellen Zytoplasma existieren. Das Vorhandensein von Prophagen im Bakteriengenom wirkt als zusätzlicher Genpool horizontal übertragener Gene, der Bakterien eine höhere Fitness verleiht, z. B. aufgrund des Vorhandenseins von Virulenzgenen, Antibiotikaresistenzgenen und/oder Überlebensfaktoren.

In der aktuellen Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien wurden Bakterien der Art Staphylococcus aureus (S. aureus) in der Umgebung aller untersuchten PatientInnen gefunden, in keiner der Proben wurden jedoch Bakterien abtötende (lytische) Phagen nachgewiesen - weder von Staphylococcus noch von Escherichia coli. Trotz der Abwesenheit von lytischen Bakteriophagen enthielten zwei der untersuchten klinischen Isolate Mitomycin C-induzierbare Prophagen. Die Studie unterstreicht auch das Problem multiresistenter Keime in der Intensivstation, allerdings waren Phagen in dieser Studie durch die Anwendung von viruzider Desinfektionsmitteln nicht überlebensfähig.

Spannend ist die Studie insbesondere wegen der untersuchten Phagen. Denn diese können nicht nur die Überlebensfähigkeit von Bakterien stärken, sondern diese auch abtöten. Phagen finden deshalb zunehmend Interesse als potenzielle Biokontrollmittel und tatsächlich können auf Bakteriophagen basierende Produkte die Bakterienlast in kritischen Umgebungen wie Krankenhäusern wirksam eliminieren oder reduzieren. Die in dieser Studie isolierten Phagen zeigen jedoch, dass weitere Untersuchungen zur vielfältigen Funktion und Wirkungsweise sowie ihrer Assoziation mit in ihrer Umgebung lebenden Bakterien nötig sind. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden dazu beitragen, die Phagenökologie zu verstehen und die Phagenanwendungen in Zukunft kritisch zu bewerten.

Ermöglicht wurde die Studie durch den technologischen Fortschritt, konkret die Entwicklung von Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien, wodurch sich Mikrobiome (Gesamtheit der Gene aller Mikroorganismen) charakterisieren lassen – und zwar nicht nur von Bakterien, sondern eben auch von Viren. Die Aufmerksamkeit der Science Community richtet sich auf dieser Wissengrundlage nun vermehrt darauf, wie Mikroorganismen mit der Umwelt und untereinander interagieren. Bisherige Arbeiten zur Besiedlung der Intensivstation durch Bakterien hatten die Rolle von Bakteriophagen im Gegensatz zur nun vorliegenden Studie jedoch nicht berücksichtigt.

Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien