„Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit mit hoher Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung“, das betont Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts anlässlich des Welttuberkulosetags am 24. März. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO zeichnet sich international eine alarmierende Entwicklung ab: Infolge der durch die COVID-19-Pandemie vielerorts eingeschränkten Gesundheitsversorgung nahmen 2020 – erstmals seit 10 Jahren – die tuberkulosebedingten Todesfälle zu, geschätzt von 1,4 Millionen im Jahr 2019 auf 1,5 Millionen 2020.
In Deutschland gehen die Tuberkulose-Fallzahlen weiterhin zurück, allerdings nicht mehr so deutlich wie in den Jahren davor. Dem RKI wurden im Jahr 2021 in Deutschland 3.896 Tuberkulose-Neuerkrankungen übermittelt (Datenstand: 15.03.2022), 6 Prozent weniger als im Jahr 2020. Im Jahr 2020 lag die Fallzahl noch knapp 14 Prozent niedriger als 2019. Von sogenannten Niedriginzidenzländern wie Deutschland wird erwartet, dass die Fallzahlen bis 2035 unter 1 Fall pro 100.000 Einwohner sinken, dafür ist eine jährliche Abnahme um mindestens 10 Prozent erforderlich.
Die aktuelle Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins des RKI (Ausgabe 11, 2022) steht ganz im Zeichen der Tuberkulose. Ein Editorial gibt einen Überblick zur internationalen und nationalen Entwicklung, der aktualisierte RKI-Ratgeber zur Tuberkulose bündelt die wesentlichen Informationen für Fachkreise, und ein Beitrag von RKI-Forschenden analysiert den Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die epidemiologische Tuberkulosesituation 2020.
Weil bei klassischen Symptomen wie länger bestehendem Husten, Nachtschweiß, Fieber und Gewichtsverlust auch an Tuberkulose gedacht werden muss, ist die Aufmerksamkeit der Ärzteschaft – sei es in der Versorgung oder in den Gesundheitsämtern – entscheidend für die erfolgreiche Tuberkulosekontrolle. Die Gesundheitsämter tragen entscheidend dazu bei, dass Erkrankte früh diagnostiziert, leitliniengerecht behandelt und infektionsgefährdete Personen im engen Patientenumfeld untersucht, aufgeklärt und bei Bedarf vorbeugend behandelt werden. Zunehmend unterstützt der genetische Fingerabdruck (Genomsequenzierung) von Tuberkuloseerregern die Gesundheitsämter. Im RKI werden die Genomsequenzen mit den Meldedaten einzelfallbasiert verknüpft (Integrierte Molekulare Surveillance). Durch diese Integration können Tuberkulose-Ausbrüche und Übertragungsketten besser erkannt und früher gestoppt/unterbrochen werden. Auch werden wichtige Erregereigenschaften wie Resistenzen systematisch erfasst, dies verbessert insbesondere bei multiresistenten Erregern die Therapie.
Trotz der erschwerten Bedingungen durch die COVID-19-Pandemie haben in Deutschland die Strukturen der Tuberkulosekontrolle weiter gut funktioniert. „Jedoch hat die Krise die Schwachstellen des Öffentlichen Gesundheitswesens deutlich sichtbar gemacht“, heißt es im Editorial des Bulletins. „Eine kontinuierliche Besetzung der Gesundheitsämter mit gut ausgebildetem und geschultem Personal und die Umsetzung einer flächendeckenden Digitalisierung sind unverzichtbare Voraussetzungen, damit der Infektionsschutz auch künftig für die alltäglichen und zusätzlichen Anforderungen gerüstet ist.“ Die aktuellen Herausforderungen durch die Versorgung von geflüchteten Menschen machen diese Bedarfe noch dringlicher. Die Tuberkulosekontrolle bedarf einer multidisziplinären Zusammenarbeit aller Akteure. Daher gibt es seit einigen Jahren im Vorfeld des Welttuberkulosetags eine Tagung, die vom Bundesministerium für Gesundheit unterstützt wird. Veranstalter sind das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum und das RKI. Die diesjährige (Online-)Tagung am 21.03.2022 organisierte das Forschungszentrum Borstel.
Quelle: Robert Koch-Institut