Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch sehr langsam wachsende Mikroorganismen verursacht wird: Mycobacterium tuberculosis. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass ein Viertel der Weltbevölkerung mit Mycobacterium tuberculosis infiziert ist. Jedes Jahr erkranken 10 Millionen Menschen an einer Tuberkulose und jährlich sterben mehr als 1,5 Millionen Menschen an dieser Krankheit. Tuberkulose ist weltweit die häufigste durch Bakterien verursachte Todesursache und steht insgesamt nach COVID-19 an zweiter Stelle der Todesursachen durch Infektionskrankheiten.
Interessanterweise erkrankt die Mehrheit der Menschen, die sich mit Mycobacterium tuberculosis infizieren, nicht. Bei denjenigen, die an Tuberkulose erkranken, kann der Krankheitsverlauf sehr unterschiedlich sein. Die meisten Tuberkulosekranken entwickeln eine chronische Lungenentzündung, während bei anderen Patient:innen auch z.B. Lymphknoten, Knochen oder das zentrale Nervensystem betroffen sein können.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als noch keine Antibiotika zur Behandlung von Tuberkulose zur Verfügung standen, überlebten etwa 20 % der betroffenen Patient:innen die Krankheit allein durch eine angemessene Immunreaktion ihres Körpers. Seit Jahrzehnten untersuchen Forscher die menschliche Reaktion auf Tuberkulosebakterien, um besser zu verstehen, was nötig ist, um eine schützende Immunität gegen diese Krankheit aufzubauen.
Nun haben Forscher des Baylor College of Medicine und des Texas Children's Hospital in Houston, Texas (USA) gemeinsam mit Partnern des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) in Braunschweig eine bahnbrechende Entdeckung zur menschlichen Immunität gegen Tuberkulose gemacht (siehe European Respiratory Journal, online seit 15.2.2022): Aufgrund unterschiedlicher Immunantworten von an Tuberkulose Erkrankten konnten sie Patientengruppen identifizieren, die entweder eine zu geringe oder eine zu starke Immunantwort auf den bakteriellen Erreger zeigen.
Hintergrund: Seit vielen Jahren haben Ärztinnen und Ärzte, die Tuberkulosepatienten betreuen, die Beobachtung gemacht, dass manche Tuberkulosepatient:innen mit einer sehr starken Reaktion ihres Immunsystems antworten und durch eine überschießende Entzündung irreversible Gewebe- und Organschäden verursachen, während andere offenbar eine zu gering ausgeprägte Immunantwort zeigen, um die Infektion zu überwinden und die Bakterien abzutöten. Vorbild für die aktuelle Analyse waren Ansätze, die aus der modernen Krebsforschung abgeleitet wurden. Hierbei wurden große Datensätze aus zuvor veröffentlichten Publikationen genutzt, um die Immunantwort der Patient:innen zu charakterisieren. Hierbei konzentrierten sich die Wissenschafter:innen auf unterschiedliche Produktion von Ribonukleinsäuren (RNA) in Blutzellen. Mit dieser Information konnten sie bestimmte Gruppen unter den Tuberkulosepatient:innen ausmachen, die mit zu gering oder zu ausgeprägten Immunität einhergingen. Interessant war hierbei auch, dass Tuberkulosepatient:innen häufig durch eine Erschöpfung des Immunsystems charakterisiert sind. Die verschiedenen Gruppen werden nun als "Endotypen" benannt.
Bei einer unabhängigen Kohorte von Patient:innen aus der Tuberkulosekohorte des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung konnten die Autor:innen nachweisen, dass manche Endotypen eine bessere Prognose für die Heilung von Tuberkulose hatte als andere. Mithilfe von Computermodellen sagte das Team auch voraus, welche Art von Medikamenten notwendig wäre, um das Immunsystem der verschiedenen Endotypen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Solche personalisierten Therapieansätze könnten zukünftig zu einer enormen Verbesserung der Therapie-Ergebnisse führen und sogar die Therapie-Dauer verkürzen.
„Die wirtsspezifischen Immuntherapien, die wir identifiziert haben, werden für einen der Endotypen vorteilhaft sein, während sie für Patienten mit einem anderen Endotyp möglicherweise nachteilig sind“, kommentiert Prof. Andrew DiNardo, der das Konzept der Endotypen federführend entwickelt hat. „Die Ergebnisse dieser Studie werden den Weg für wirtsspezifische Therapien für einzelne Gruppen von Tuberkulosepatienten ebnen, mit dem großen Potenzial, die Behandlungsergebnisse für die tödlichste aller bakteriellen Infektionskrankheiten zu verbessern“, ergänzt Prof. Jan Heyckendorf, DZIF-Tuberkuloseforscher aus Borstel und Kiel und einer der Erstautoren der Studie.
Quelle: Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum