In der überwiegenden Mehrheit der Fälle von tödlichem Lungenkrebs (85%) handelt es sich um nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC). Diese Form enthält häufig ein verändertes (mutiertes) Gen namens LKB1. Forscher des Salk Institute for Biological Studies in Kalifornien haben jetzt genauer herausgefunden, warum inaktives LKB1 zur Krebsentstehung führt: LBK1 kommuniziert offenbar mit zwei Enzymen, die einerseits Entzündungsprozesse und andererseits Zellteilungen unterdrücken, um das Tumorwachstum zu hemmen (siehe Cancer Discovery, Online-Veröffentlichung am 26.7.2019). Die Ergebnisse könnten zu neuen Therapien beim NSCLC führen.
„Zum ersten Mal haben wir spezifische direkte Ziele für LKB1 gefunden, die Lungenkrebs vorbeugen, und – sehr überraschend – entdeckt, dass Entzündungen eine Rolle bei diesem Tumorwachstum spielen“, erklärt Prof. Reuben Shaw, Direktor des Salk Cancer Center und Hauptautor der Arbeit. „Mit diesem Wissen können wir hoffentlich neue Therapien für diesen großen Anteil von Lungenkrebspatienten entwickeln.“
Wenn LKB1 normal funktioniert, wirkt es als Tumorsuppressor (unterdrückt die Tumorentwicklung) und verhindert aktiv die Entstehung von Krebs. Wissenschaftler wussten bereits, dass das LKB1-Gen wie der Leiter eines Staffel-Teams agiert und zelluläre Signale wie einen Staffelstab an Kinasen weiterleitet, die dann wiederum das Signal in einer Kettenreaktion an andere Enzyme weitergeben. LKB1 fungiert dabei als Kapitän eines Teams aus 14 verschiedenen Kinasen. Aber welche dieser Kinasen speziell für die tumorunterdrückende Funktion von LKB1 verantwortlich ist, blieb seit mehr als 15 Jahren unklar - also seitdem LKB1 erstmals als ein Hauptgen identifiziert wurde, das bei Lungenkrebs gestört ist.
Im Jahr 2018 kam das Shaw-Labor einer Lösung des Rätsels näher, indem es zeigte, dass zwei der 14 Kinasen aus dem Staffel-Team für die Wirkung von LKB1 bei der Hemmung von Lungenkrebs überraschenderweise gar nicht so wichtig waren, wie die meisten Wissenschaftler angenommen hatten. Damit verblieben nur mehr 12 Kinasen, die potenziell wichtig erschienen, allerdings war über diese fast nichts bekannt.
„Dies war wie ein onkologischer Kriminalfall. Wir vermuteten, dass eine dieser 12 Kinasen wahrscheinlich der Schlüssel für die tumorhemmende Wirkung von LKB1 war, waren uns aber nicht sicher, welche“, berichtet Pablo Hollstein, Erstautor der Arbeit und Postdoc-Stipendiat am Salk Cancer Center.
Um dies herauszufinden, setzte das Team eine zielgerichtete Genschere (CRISPR-Technologie) in Kombination mit genetischen Analysen ein, um jede unter Verdacht stehende Kinase einzeln und anschließend in Kombinationen zu inaktivieren. Sie beobachteten, wie die Inaktivierungen das Tumorwachstum und die Tumorentwicklung sowohl in Zellkulturen von NSCLC-Zellen als auch in einem genetischen NSCLC-Mausmodell beeinflussten.
Die Experimente wiesen die Forscher schließlich auf zwei Kinasen hin: Eine mit der Bezeichnung SIK1 bewirkte am stärksten, dass sich keine Tumore bildeten. Wenn SIK1 inaktiviert wurde, erhöhte sich das Tumorwachstum; und als eine verwandte Kinase, SIK3, ebenfalls inaktiviert wurde, wuchs der Tumor noch aggressiver.
„Die Entdeckung, dass es von den 14 Kinasen SIK1 und SIK3 waren, die die wichtigsten Spieler darstellen, war wie die Entdeckung, dass der relativ unbekannte Ersatz-Quarterback, der fast nie spielt, tatsächlich einer der wichtigsten Quarterbacks in der Geschichte des Sports ist“, resumiert Shaw.
Es ist auch bekannt, dass LKB1 eine Rolle bei der Unterdrückung von Entzündungen in Zellen im Allgemeinen spielt. Daher waren die Forscher fasziniert, als sie entdeckten, dass SIK1 und SIK3 spezifisch die zelluläre Entzündungsreaktion in Lungenkrebszellen hemmen. Wenn daher LKB1 oder SIK1 und SIK3 in Tumoren mutieren, nimmt die Entzündung zu, was das Tumorwachstum antreibt.
In einem ähnlichen Zusammenhang veröffentlichte Salk-Professor Marc Montminy kürzlich gemeinsam mit Shaw eine Arbeit, in der er die Stoffwechselschalter identifizierte, an die SIK1 und SIK3 den Staffelstab übergeben, und drei Schritte des von LKB1 gestarteten Staffellaufes enthüllte.
„Indem wir das Problem Lungenkrebs aus verschiedenen Blickwinkeln angreifen, haben wir jetzt einen einzigen direkten Weg definiert, der die Entwicklung der Krankheit bei vielen Patienten unterstützt“, erläutert Shaw. „Wir haben an diesem Projekt gearbeitet, seit ich 2006 mit meinem Labor angefangen habe. Es ist unglaublich lohnend und erstaunlich festzustellen, dass Entzündungen bei der Tumorentstehung in dieser sehr klar definierten Gruppe von Lungenkrebsarten eine treibende Kraft darstellen. Diese Entdeckung unterstreicht die Natur wissenschaftlicher Forschung und wie wichtig es ist, schwierige und komplizierte Probleme zu lösen, auch wenn es mehr als zehn Jahre dauert, bis eine Antwort vorliegt.“
Als nächstes wollen die Forscher weiter untersuchen, wie diese Kinase-getriebenen Entzündungsschalter das Wachstum von Lungentumoren bei NSCLC auslösen.
Quelle: Biermann-Medizin