Schleim (medzinisch: Mucus) überzieht die innere Oberfläche unserer Atemwege. Das zähfließende Gel befeuchtet die Lunge und verhindert, dass Viren oder kleine Partikel wie Dieselruß ungehindert eindringen. Ungeklärt war bisher, wie weit sich solche Nanopartikel durch den Schleim der Lunge bewegen können. Bisherige wissenschaftliche Ergebnisse hierzu widersprachen sich. So konnte bislang auch nicht erklärt werden, warum bei der Entwicklung von Medikamenten, die inhaliert werden sollen, Wirkstoff-Nanoteilchen bisweilen nicht am anvisierten Wirkort in den Lungenzellen ankamen, sondern schlicht im Schleim stecken blieben. Die Hintergründe dazu haben jetzt Wissenschaftler der Universität des Saarlandes und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) näher beleuchtet. „Der Mucus der Lunge ist ein besonderes Gel. Er ist völlig anders gebaut als andere Gele“, erläutert Claus-Michael Lehr, Professor für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie der Saar-Uni und Leiter der Abteilung Wirkstoff-Transport am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS). Normale Gele besitzen eine Mikrostruktur, die einem filigranen Spinnennetz aus dünnen, feinsten Fäden gleicht, die kleine Poren umschließen. Beim Blick durchs Mikroskop wirkt der Lungenschleim demgegenüber wie ein Schwamm: Steife, dicke Gelstäbe trennen große, mit Flüssigkeit gefüllte Poren. Diese Gerüstproteine werden Mucine genannt. Die Forscher haben jetzt nachgewiesen, dass Nanopartikel an diesen Strukturen wie an den Gitterstäben eines Käfigs hängen bleiben (siehe PNAS = Proceedings of the National Academy of Science, Online-Vorabveröffentlichung am 22.10. 2012). Dass in vielen Untersuchungen die Nanopartikel im Schleim als sehr beweglich erschienen, erklärt sich daraus, dass bei diesen Forschungsarbeiten im Nanometerbereich gearbeitet wurde: Die Partikel bewegen sich innerhalb einer Pore völlig ungehindert; erst wenn sie die einzelnen Poren zu überwinden versuchen, werden sie an den Stäben ausgebremst.
„Unsere Ergebnisse helfen uns zu verstehen, wie Infektionskrankheiten der Atemwege entstehen und wie diese besser bekämpft werden können. Sie sind insbesondere eine wichtige Grundlage für die Entwicklung inhalativer Medikamente“, erklärt Prof. Lehr. Hierbei muss nach den neuen Erkenntnissen berücksichtigt werden, wie die Wirkstoffe das Gelgerüst des Schleims überwinden können. Dafür kommen so genannte mucolytische Verfahren in Betracht, bei denen die Stäbe quasi durchschmolzen werden: Diese lösen sich vor dem Nanopartikel auf, lassen ihn passieren, und schmelzen hinter ihm wieder zusammen.
Experimentalphysiker der Saar-Uni um Prof. Christian Wagner haben diese Annahme mit der so genannten Optischen Pinzette untermauert, die es erlaubt, kleinste Teilchen mit gebündelten Laserstrahlen wie mit einer Pinzette anzufassen und zu bewegen. „Über die Laserstrahlen der Optischen Pinzette können wir die Kraft messen, die erforderlich ist, um das Teilchen im Gel zu bewegen. Das ermöglicht uns, Rückschlüsse auf das Medium zu ziehen, durch das die Kugel bewegt wird“, erklärt Professor Wagner. „Wir konnten die Kugel mit gleichbleibender Kraft durch die flüssige Phase im Inneren der Pore ziehen – genauso wie in einem normalen Gel. Wenn aber die Kugel gegen die Porenwand, also auf die Gelstäbe des Schleims, stieß, konnte der Laserstrahl sie nicht weiter bewegen“, erläutert Wagner. Auch Versuche mit dem Rasterkraftmikroskop und weitere Experimente bekräftigen die These: So durchdrangen Eisen-Nanopartikel unter dem Einfluss eines magnetischen Kraftfeldes das normale Vergleichsgel ohne Schwierigkeiten, den Lungenschleim aber nicht. Strukturanalysen des Schleims wurden mit Hilfe der so genannten Kryo-Elektronenmikroskopie von Wissenschaftlern der Fresenius Medical Care Deutschland durchgeführt.
Die Erkenntnisse über die spezielle Struktur des Lungenschleims werden – zumindest hoffen das die Forscher – die Entwicklung der nächsten Generation von Medikamenten gegen Erkrankungen der Atemwege beeinflussen.
Quelle: Universität des Saarlandes