Es wird ja oft beklagt, Ärzte hätten zu wenig Zeit für ihre Patienten. Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, nutzen sie offenbar die ihnen zur Verfügung stehende Zeit aber auch nicht effektiv genug. Statt sich auf ein wesentliches Problem zu konzentrieren, würden meistens mehrere Themen zugleich angesprochen. Das haben Wissenschaftler um Ming Tai-Seale von der „School of Rural Public Health“ in Texas und von der „Harvard Medical School“ aus Boston festgestellt, die ihre Ergebnisse in einer Online-Ausgabe des Fachblattes Health Services Research veröffentlicht haben.
Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern hat Ming Tai-Seale 392 Arzt-Patienten-Gespräche auf Video mitgeschnitten und anschließend ausgewertet. Die Gespräche mit den über 65-jährigen Patienten dauerten im Durchschnitt 15,7 Minuten - also deutlich länger als die von vielen Patienten beklagte „Dreiminutenmedizin“. Allerdings mussten sich die Ärzte in dieser knappen Viertelstunde meistens gleich um mehrere Sorgen ihrer Patienten kümmern. Mit der Konsequenz, dass die Ärzte für das Hauptproblem ihrer Patienten gerade einmal 5 Minuten Zeit hatten, was möglicherweise das beim Patienten verbreitete Gefühl der “Dreiminutenmedizin” erklären kann. Für die übrigen, angesprochenen Themen verblieben jeweils nur 1,1 Minuten im Durchschnitt. Andererseits hatte die Gesamtzahl der tangierten Gesprächsthemen nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtdauer des Arzt-Patienten-Kontaktes. Daraus ließe sich schließen, dass es dem Patienten nicht unbedingt mehr bringt, wenn er möglichst viele Themen mit dem Arzt bespricht. „Je mehr Themen in der ohnehin schon limitierten Gesprächszeit miteinander konkurrieren, umso weniger Zeit bleibt für jedes Einzelthema übrig“, schreiben die Forscher als Schlussfolgerung. Beide Seiten – Patienten UND Ärzte – sollten akzeptieren, dass der herrschende Zeitdruck eine Besprechung komplexer oder multipler Probleme kaum erlaube. Was andererseits auch die Schlussfolgerung erlaubt, dass Ärzte, die sich im Gespräch auf ein Hauptthema beschränken, möglicherweise auch einen zufriedeneren Patienten zurücklassen.
Quelle: Health Services Research, Online-Ausgabe (doi:10.1111/j.1475-6773.2006.00689.x), Zusammenfassung (abstract)