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Sedierung mit Propofol bei der Endoskopie: Darf an das Pflegepersonal delegiert werden?

Jährlich werden in Deutschland Millionen von endoskopischen Untersuchungen unter Sedierung mit Propofol durchgeführt. Etwa 300.000 davon sind Atemwegsspiegelungen, sog. Bonchoskopien. Der Rechtsanspruch des Patienten auf eine von Negativsensationen (Husten, Schmerzen, Erstickungsgefühl, Würgereiz etc.) freie Untersuchung gilt heute als allgemein akzeptiert. Dies erfordert die medikamentöse Herbeiführung eines schlafähnlichen Zustandes, in der Medizin Sedierung genannt.

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Propofol ist ein in intravenös zu verabfolgendes Narkotikum welches in geringerer Dosierung als bei der Narkose häufig als Sedativum eingesetzt wird. Die Wirkung von Propofol (Narkose oder Sedierung) ist von Patient zu Patient verschieden. Was bei einem Patienten Sedierung herbeiführt, bewirkt beim anderen Patienten Narkose. Propofol hat eine geringe therapeutische Breite. Propofol hat einen schnellen Wirkeintritt und bei Beendigung der Zufuhr ein schnelles Wirkende. Es ist gut steuerbar. Propfol wird im Regelfall gut vertragen. Es führt angenehme Träume herbei und führt nicht zu Übelkeit nach dem Erwachen. Die Anwendung von Propofol als Sedativum ist in der Medizin deshalb sehr beliebt und weit verbreitet. Eine in der deutschen Endoskopie weit verbreitete, regelmäßige Delegation der Propofolgabe an das Pflegepersonal (NAPS = nurse administrated propofol sedation) beschreibt die Versorgungsrealität in der Lungenmedizin und wahrscheinlich darüber hinaus am besten.

Ob die Sedierung mit Propofol an das Pflegepersonal delegiert werden kann oder ob die Sedierung, wie es sämtliche Fachinformationen der Hersteller zur Propofol vorgeben, vom „anästhesiologisch oder intensivmedizinisch ausgebildeten Arzt, der nicht der Endoskopeur sein darf“ vorgenommen werden muss, wird aktuell in Fachkreisen der Lungenmedizin und inzwischen auch öffentlich sehr kontrovers diskutiert und von Rechtsgutachten beleuchtet.

Während in einer Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs-und Stoffwechsel­erkrankungen (DGVS) zur Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie von 2023 klar formuliert wird „den detaillierten Herstellerangaben (Personal) ist zu folgen“ äußert die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) in ihrer Presseinformation vom 19.9.2024 begründet durch ein Rechtsgutachten und eine weder publizierte noch konsentierte Leitlinie, sie wolle „alte Ansichten abräumen und die Rechtslage ändern.“ Damit soll offensichtlich Rechtssicherheit für eine vollständige Delegation der Propofolgabe an das Pflegepersonal geschaffen werden.

Zu der Frage, ob die Propofolgabe bei der Sedierung vom Arzt an das Pflegepersonal delegationsfähig ist, gibt es drei Rechtsgutachten aus zwei Anwaltskanzleien: In dem Gutachten der Kanzlei Ratajczak, Sindelfingen, (2024) wird von der Delegation der Propofolgabe aus medizinischen und rechtlichen Gründen generell abgeraten. In zwei Gutachten der Sozietät Ehlers, München, (aus 2006 und 2024) wird die „teilweise“ Delegation der Propofolgabe an das Pflegepersonal im Einzelfall („Patienten mit niedrigem Risiko, nur leichte bis moderate Sedierung, Gewährleistung einer sofortigen Präsenz eines in der Intensivmedizin erfahrenen zweiten Arztes oder eines Anästhesiologen“) als möglich erachtet. Von einer vollständigen Delegation wird auch in diesen Gutachten abgeraten. Kein Gutachten sieht aus rechtlichen Gründen die Möglichkeit zu einer generellen Delegation.

Der Verband Pneumologischer Kliniken, dessen Geschäftsführer Martin Hetzel ist, richtet seine Haltung zu der Frage der Delegationsfähigkeit an drei Kriterien aus: Die Patientensicherheit, die Rechtssicherheit des Arztes und die Voraussetzungen für hochqualitatives Arbeiten in der Bronchologie.

Die Vornahme der Propofolgabe durch einen Intensivmediziner oder einen Anästhesiologen hat unzweifelhaft ein höheres Sicherheitsniveau für den Patienten als die Propofolgabe durch eine Pflegeperson, welche im besten Falle für diese Aufgabe einen Dreitageskurs absolviert hat. Propofol kann zu Atemstillständen und kritischen Blutdruckabfällen führen. Dies rechtzeitig zu erkennen und die richtigen Behandlungsmaßnahmen, wie Beatmung und die Gabe von kreislaufwirksamen Medikamenten vorzunehmen, kann nicht an das Pflegepersonal delegiert werden.

Die Delegation der Propofolgabe steht den Herstellerinformationen entgegen, ist deshalb arzneimittelrechtswidrig und geht mit erheblichen haftungs- und strafrechtlichen Risiken für den delegierenden Arzt einher. Keine Leitlinie kann Vorrang vor einer Herstellerinformation haben.

Die Vornahme der Propofolapplikation, besonders durch den Anästhesiologen, bietet regelhaft exzellente Voraussetzungen für das Arbeiten des Lungenfacharztes im Bronchoskopielabor. Dar Endoskopeur kann sich auf sein Arbeit konzentrieren und muss nicht mit einem Auge auf die Sedierung und ihre Nebenwirkungen achten.

Aus diesen Gründen spricht sich der Verband Pneumologischer Kliniken gegen eine großzügige oder unter ökonomischem Druck erfolgende Delegation von Propofol an das Pflegepersonal aus.

„Vorgehensweisen die eine hohe Patientensicherheit sicherstellen und hohe Qualität ärztlichen Arbeitens ermöglichen, müssen in einer Zeit, in der die Krankenhauslandschaft reformiert wird, besonders beachtet werden“ sagt der Geschäftsführer des Verbandes Pneumologischer Kliniken, Prof. Martin Hetzel.

„Wir müssen die aktuelle Rechtslage zur Kenntnis nehmen und unser Vorgehen bei der Endoskopie mit Sedierung daran orientieren“, merkt Dr. Thomas Voshaar, Vorsitzender des Vorstandes des VPK an.

Dies ist eine Pressemeldung des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK). Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.lungenaerzte-im-netz.de. Bei Veröffentlichung in Online-Medien ist diese Quellenangabe (in Form eines aktiven Links entweder auf die Startseite oder auf eine Unterseite der Webseite der Lungenärzte-im-Netz) erforderlich, bei Veröffentlichung in Printmedien ist ebenfalls ein Hinweis auf diese Webadresse notwendig.