Die Immunantwort während der Schwangerschaft verstärkt nicht nur die Pathogenität von H1N1-Grippeviren (also ihr Potenzial, eine schwere Erkrankung an Grippe zu verursachen), sondern begünstigt auch die Entstehung neuer, hoch-virulenter Stämme. Zu diesen Ergebnissen gelangt eine Studie der Forschungsgruppe Virale Zoonosen am Heinrich-Pette-Institut gemeinsam mit Forschern des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie (HPI) unter der Leitung von Prof. Gülsah Gabriel und dem Labor Feto-Maternale Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) unter der Leitung von Prof. Petra Arck (siehe Cell Host & Microbe, Online-Veröffentlichung am 8.3.2017).
Aus Sicht des Immunsystems stellt eine Schwangerschaft eine einzigartige Situation dar, denn der Fötus trägt zur Hälfte auch väterliche Antigene. „Das mütterliche Immunsystem reagiert mit einer gezielten Immuntoleranz, um sicherzugehen, dass der Fötus nicht wie ein Transplantat abgestoßen wird“, erklärt Prof. Petra Arck. „Bei einer Grippevirus-Infektion ist dagegen eine schnelle Immunantwort notwendig, um sich gegen die Viren zur Wehr zu setzen“ ergänzt Prof. Gülsah Gabriel. Aufgrund dieser entgegengesetzten immunologischen Anforderungen stellen schwangere Frauen die größte Risiko-Gruppe für schwere, teilweise tödliche, Grippeverläufe dar. Über die genauen Ursachen dafür liegen bisher jedoch nur wenige Erkenntnisse vor.
In der nun erschienenen Studie ist es den Forschergruppen um Prof. Gülsah Gabriel und Prof. Petra Arck gelungen, die Vorgänge im Immunsystem bei einer Infektion mit dem Grippevirus H1N1 während einer Schwangerschaft genauer zu charakterisieren. An Mäusen konnte gezeigt werden, dass die anti-virale Immunantwort in trächtigen Muttertieren deutlich abgeschwächt ist und die Infektion sehr viel schwerer verläuft als bei nicht-trächtigen Tieren. Zudem wurde die Bildung von neuen, hochvirulenten Grippevirus-Varianten in den trächtigen Tieren nachgewiesen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass sich gerade schwangere Frauen mit einer Impfung vor Grippeinfektionen schützen“, betont Prof. Gülsah Gabriel, Leiterin der HPI-Forschungsgruppe „Virale Zoonosen und Adaptation“. Außerdem könnten die Erkenntnisse möglicherweise die Grundlage für neue therapeutische Ansätze liefern.
Quelle: Heinrich-Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie