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Schutz vor Tuberkulose manchmal angeboren

Es gibt einen kleinen Bereich im menschlichen Genom, der sich bei Patienten mit Tuberkulose eindeutig von demjenigen nicht Erkrankter unterscheidet. Das haben Wissenschaftler des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Zusammenarbeit mit afrikanischen und britischen Kollegen entdeckt.

Jedes Jahr sterben mehr als zwei Millionen Menschen an Tuberkulose Die Erkrankung hat sich im Zuge der AIDS-Epidemie vor allem in Afrika weiter ausgebreitet. Auch für uns in Deutschland sind Tuberkulosebakterien, die kaum noch auf Medikamente ansprechen und aus dem Ausland eingeschleppt werden, besonders bedrohlich.

Seitdem das menschliche Genom vor fast zehn Jahren sequenziert wurde, konzentrieren sich Wissenschaftler darauf, die Funktion von Millionen von Genveränderungen (Mutationen) bei Empfänglichkeit und Resistenz gegenüber Erkrankungen zu studieren. So wurden bei Europäern bereits über 150 Mutationen der Veranlagung für bestimmte Erkrankungen wie Diabetes oder Herzinfarkt zugeordnet. Obwohl die Empfänglichkeit für Infektionskrankheiten in besonders hohem Maße von der genetischen Ausstattung des Menschen beeinflusst wird, stellte sich die Suche nach entscheidenden Mutationen als schwierig heraus. „Mutationen, die das Risiko von lebensbedrohlichen Infektionen wie Tuberkulose deutlich erhöhen, verschwinden offenbar schnell wieder aus dem Gen-Pool der Menschheit, weil die Sterblichkeit an diesen Infektionen im Kindesalter eine Vererbung auf die nächsten Generationen verhindert“, erklärt Dr. Thorsten Thye aus der Forschergruppe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI). Das machte die Suche bei Tuberkulose außergewöhnlich aufwändig.

Dazu kam, dass die Untersuchungen an Patienten in Ghana und Gambia durchgeführt wurden. „Die genetische Vielfalt der afrikanischen Bevölkerung ist besonders groß“, ergänzt Dr. Ellis Owusu-Dabo, Leiter der Studie in Ghana. „Daher mussten wir besonders viele Patienten einbeziehen. Wir freuen uns, mit diesem Ergebnis erstmals zu zeigen, dass genomweite Assoziationsstudien auch bei Afrikanern mit Erfolg durchgeführt werden können.“

„Ebenso wie die Hamburger Gruppe mit ihren ghanaischen Kollegen konnten auch wir mit unseren Kollegen in Gambia zunächst keine eindeutigen Unterschiede zwischen Tuberkulosepatienten und Gesunden finden“, erläutert Prof. Adrian Hill, Leiter der Forschergruppe im Wellcome Trust Centre for Human Genetics an der Universität Oxford. „Erst als wir unsere Daten zusammengelegt haben, hat es geklappt.“ Insgesamt wurden bei nahezu 6000 Personen jeweils Hunderttausende von Mutationen im Genom untersucht, und interessante Bereiche im Genom wurden bei weiteren 5000 Personen überprüft (siehe Nature Genetics, Online-Vorabveröffentlichung am 8.8.2010).

„Es ist zwar noch ein weiter Weg bis zur praktischen Anwendung dieser Ergebnisse, aber wir haben gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, durch Untersuchung des gesamten menschlichen Genoms aufzuklären, warum etwa 90 Prozent der Menschen natürlicherweise vor Tuberkulose geschützt sind“, erläutert Prof. Rolf Horstmann, Leiter des Projekts am BNI. „Die Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs und die zunehmende Bedrohung durch medikamentenresistente Tuberkulosebakterien erfordern neue wissenschaftliche Ansätze.“ Jetzt gilt es z.B. herauszufinden, welche Gene von dem Unterschied betroffen sind und welche Funktionen sie im menschlichen Körper haben, um die neuen Befunde für die Entwicklung von Impfstoffen oder neuartigen Medikamenten nutzen zu können.