Schwere Pilzerkrankungen, vor allem die gefürchteten Aspergillosen der Lunge, treten bei etwa einem Drittel der Patienten mit akuter Leukämie auf - meist, weil deren Immunsystem durch eine Chemotherapie stark geschwächt ist. In der Mehrzahl der Fälle enden sie tödlich: Die Sterblichkeit infolge einer aggressiven Aspergillose beträgt bis zu 80 Prozent. Außerdem ist die Behandlung von Aspergillosen sehr langwierig: Sie dauert Monate und verhindert dabei oft die dringend erforderliche Therapie des Blutkrebses. Für Ärzte besteht in der Praxis die Hauptschwierigkeit darin, eine lebensbedrohliche Pilzinfektion ihrer Patienten rechtzeitig zu entdecken. Oft kündigt sie sich nur durch Fieber an und kann, etwa in der Lunge, meist nur durch aufwändige diagnostische Methoden enttarnt werden. Auch was den geeigneten Zeitpunkt für den Therapiebeginn angeht, stehen die Ärzte vor einem Dilemma: Behandeln sie eine Pilzinfektion mit Aspergillus zu spät, versagt oft die medikamentöse Therapie der Patienten; behandeln sie hingegen zu früh bzw. rein prophylaktisch (zur Vorbeugung), müssen unter Umständen auch Kranke, die sich gar nicht mit den aggressiven Pilzen infiziert haben, unter den Nebenwirkungen der Arzneimittel leiden.
Jetzt belegen zwei wissenschaftliche Studien, die von Medizinern der Universitäten Köln und Mainz in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden, dass die Zahl lebensbedrohlicher Pilz- und Hefeinfektionen künftig durch eine vorbeugende Behandlung immungeschwächter Hochrisikopatienten mit einem erstmals für diesen Zweck verwendeten Pilzmedikament wirksamer als bisher gesenkt werden kann. So schütze der Wirkstoff Posaconazol deutlich mehr Leukämiepatienten, die eine Chemotherapie machen, vor einer aggressiven Pilzinfektion als bisher verfügbare Medikamente. Vor allem die Häufigkeit der von Ärzten gefürchteten invasiven Aspergillosen werde durch die Prophylaxe mit dem Anti-Mykotikum Posaconazol auf ein Siebtel reduziert. Zugleich sinke die Sterblichkeit der Patienten mit akuter Leukämie von 21,5 Prozent in der Vergleichsgruppe (die mit den bisherigen Standardmedikamenten behandelt wurden) auf 14,5 Prozent. „Lungenentzündungen durch Schimmelpilze waren bisher bei Leukämiepatienten eine sehr häufige Komplikation“, erklärt Oliver Cornely von der Klinik I für Innere Medizin der Universitätsklinik Köln. „Seit wir die vorbeugende Behandlung mit Posaconazol vor einem Jahr an der Uniklinik Köln eingeführt haben, ist nur bei einem Patienten eine Aspergillose trotz Prophylaxe aufgetreten."
In der zweiten Studie von Andrew Ullmann und seinen Kollegen von der III. Medizinischen Klinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat Posaconazol aggressive Aspergillusinfektionen auch bei Patienten, deren Abstoßungsreaktionen des Immunsystems nach einer Knochenmarktransplantation massiv unterdrückt werden mussten, verhindern können. Die Gefahr einer tödlichen Pilzinfektion ist in dieser Patientengruppe besonders hoch. Auch in dieser Untersuchung starben dank der Prophylaxe mit Posaconazol weniger Patienten an invasiven Pilzinfektionen. „Da lebensbedrohliche Pilzinfektionen für Patienten nach einer Stammzelltransplantation oft tödlich verlaufen, existiert weltweit ein dringender Bedarf an einer wirksamen und verträglichen vorbeugenden Behandlung“, betont Ullmann. „Künftig können wir Hochrisikopatienten jetzt prophylaktisch behandeln, so lange sie dies brauchen.“ Der behandelnde Arzt könne sich damit ganz auf die Krebserkrankung seines Patienten konzentrieren - anstatt zusätzlich gegen lebensbedrohliche Pilzinfektionen ankämpfen zu müssen.
Quellen:
- New England Journal of Medicine(2007), Band 356, Seite 348-359,
Zusammenfassung (abstract) - New England Journal of Medicine(2007), Band 356, Seite 335-347,
Zusammenfassung (abstract)