Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Schuld am Heuschnupfen sind offenbar auch nicht-allergene Substanzen aus Pollen

Im April und Mai machen Birkenpollen vielen Menschen das Leben schwer. Auslöser sind Allergene, aber auch nicht-allergene Substanzen im Pollen, wie Münchener Wissenschaftler jetzt berichten.

Die Forschung an Pollenallergien hat sich lange auf Allergene konzentriert – die Bestandteile von Pollen also, die allergische Reaktionen auslösen. Wichtigster Auslöser der Abwehrreaktion zum Beispiel bei einer Birkenpollenallergie ist ein Protein namens Bet v 1, das Hauptallergen der Birke. Beim Kontakt mit der Nasenschleimhaut setzen Pollen jedoch nicht nur Allergene frei, sondern auch zahlreiche andere Stoffe. In einer Pilotstudie hat ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Claudia Traidl-Hoffmann von der Technischen Universität München (TUM) und Kollegen des Helmholtz-Zentrums München erstmals die Wirkung dieser Substanzen auf Allergiker untersucht. Dabei zeigte sich, dass nicht-allergene Bestandteile von Pollen die Reaktion des Körpers maßgeblich beeinflussen (siehe Clinical and Experimental Allergy, Online-Veröffentlichung am 7.4.2016). Das Ergebnis legt nahe, die gängige Praxis bei der Behandlung von Allergien zu überdenken. 

Für die Studie wurden die Stoffwechselprodukte von Birkenpollen so gefiltert, dass nur noch nicht-allergene niedermolekulare Substanzen in dem Extrakt enthalten waren, also Stoffe mit besonders kleinen Molekülen. Dann haben die Forscher verschiedene Kombinationen aus Allergen und niedermolekularen Substanzen mit einem sogenannten Prick-Test auf der Haut von Pollen-Allergikern getestet. Einige der Mischungen verabreichten sie den Testpersonen auch über die Nase.

Das Ergebnis war eindeutig: Sowohl beim Prick-Test als auch bei der Aufnahme über die Nase waren die Reaktionen deutlich stärker, wenn nicht nur das Allergen, sondern zusätzlich auch die niedermolekularen Substanzen verabreicht wurden. Wurden beide unter die Haut gepiekst, bildeten sich besonders starke Rötungen und Quaddeln. Über die Nase aufgenommen sorgte die Mischung für starke Schleimbildung und der Körper der Testpersonen bildete zahlreiche Antikörper. Bei Allergikern, an denen nur die niedermolekularen Substanzen getestet wurden, zeigte sich hingegen gar keine Wirkung.

Auffällig war, dass das Extrakt aus Birkenpollen nicht nur bei Testpersonen eine Reaktion auslöste, die empfindlich auf das Birken-Allergen reagieren. Die Wirkung zeigte sich auch bei Menschen, die gegen Gräserpollen allergisch waren und das entsprechende Allergen in Kombination mit dem Birkenpollen-Extrakt über die Nase verabreicht bekamen. Das lässt sich dadurch erklären, dass viele der niedermolekularen Substanzen auch in anderen Pollen vorkommen. „Die entzündliche Wirkung der niedermolekularen Bestandteile ist ein unspezifischer Effekt, der nicht mit einem bestimmten Allergen zusammenhängt“, erklärt Claudia Traidl-Hoffmann. „Wir vermuten, dass sich sogar bei Nicht-Allergikern Effekte nachweisen lassen.“

In Birkenpollen-Extrakt sind gut 1000 verschiedene niedermolekulare Substanzen enthalten. Einige der Bestandteile, die allergische Reaktionen verstärken, konnten die Forscher bereits in früheren Untersuchungen identifizieren – etwa Adenosin oder verschiedene Fettsäuren. Dabei scheint das Zusammenspiel verschiedener Substanzen eine wichtige Rolle für das Entstehen und die Auswirkungen von Allergien zu spielen. „Der menschliche Organismus ist komplex. Man kann nicht erwarten, dass die Ursache für die Entstehung von Allergien auf eine einzige Substanz herunterbrechen lässt“, erläutert Traidl-Hoffmann.

Die Erkenntnis, dass auch nicht-allergene Substanzen in Pollen großen Einfluss auf die Reaktion des Körpers haben, könnte die Behandlung von Allergien nachhaltig verändern. Bei einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) verabreichen Ärzte heute eine Flüssigkeit, die Pollen mit allen Bestandteilen enthält. Dadurch geraten auch Stoffe wie die in der aktuellen Studie untersuchten niedermolekularen Substanzen in den Organismus. „Derzeit schlagen nur 60 bis 70 Prozent der Hyposensibilisierungstherapien an“, berichtet Claudia Traidl-Hoffmann. Ein Grund dafür könnten nicht-allergene aber entzündungsfördernde Inhaltsstoffe sein, die sich negativ auf die Behandlung auswirken. Ein Ansatz zur Verbesserung der Therapie könnten Impflösungen mit rekombinanten, also biotechnologisch hergestellten, Proteinen sein. Dadurch könnte man gezielt nur das Allergen verabreichen, an das sich der Körper bei der Hyposensibilisierung gewöhnen soll. Eine solche Therapie mittels rekombinanter Proteine wurde bisher nur für Menschen entwickelt, die allergisch gegen Bienen- und Wespengift sind.

Quelle: Technische Universität München