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Schlüsselprozesse bei Lungenkrebs aufgeklärt

Wissenschaftler von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg haben auf molekularere Ebene erforscht, wie in Lungentumoren das Wachstum neuer Blutgefäße zu einer Ausbreitung der Krebszellen ins Knochenmark und in die Lymphknoten führt.

Bei etwa 90 Prozent aller Krebserkrankungen sind Tochtergeschwüre (Metastasen) für den Tod der Patienten verantwortlich: Vom Tumor trennen sich Metastasen ab, breiten sich im Körper aus und wuchern an anderen Stellen weiter. In diesem Stadium ist die Krankheit kaum noch zu behandeln. Was auf molekularer Ebene passiert, wenn ein Tumor zur Metastasierung übergeht, ist für viele Krebsarten nur wenig bekannt. Das gilt auch für Lungenkrebs. Ihn haben sich die Würzburger Forscher Rudolf Götz und Ulf R. Rapp vorgenommen, weil er mit etwa 40.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen zählt und nur selten heilbar ist. Die beiden Forscher etablierten in genetisch veränderten Mäusen zuerst ein Modell für die häufigste Lungenkrebsform, das nichtkleinzellige Bronchialkarzinom. Wenn diese Modell-Tiere zwei Wochen alt sind, entstehen bei ihnen zahlreiche gutartige und langsam wachsende Geschwülste, die sich im Lungengewebe ausbreiten, ohne dieses aber zu zerstören. Die Wissenschaftler brachten dann das harmlose Gewebe dazu, bösartig zu werden, und studierten diesen Vorgang mit Unterstützung von Kollegen aus der Würzburger Kinderklinik und dem Anatomischen Institut. Sie blockierten zuerst das Protein E-Cadherin, das für die Anheftung der Zellen auf Oberflächen wichtig ist. Dadurch kam es in der Geschwulst zu einer massiven Neubildung von Blutgefäßen – dem entscheidenden Schritt für die folgende, ausgeprägte Metastasierung: Durch die intensivere Versorgung mit Blut wuchsen die Tumoren schneller, drangen auch in benachbartes Lungen-Gewebe ein und bildeten dort weitere Metastasen. Dabei nisteten sich die Lungentumor-Zellen zudem auch in Lymphknoten und im Knochenmark ein.

In ihrem Artikel in Cancer Cell beschreiben die Würzburger Forscher detailliert, welche molekularen Vorgänge sie bei diesem Prozess beobachtet haben. Die verstärkte Blutgefäßbildung wird demnach durch den Wachstumsfaktor VEGF (aus dem Englischen: vascular endothelial growth factor) ausgelöst, der zuvor über den ß-Catenin-Signalweg aktiviert wurde. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die zunächst gutartigen Zellen durch die Ausschaltung des Proteins E-Cadherin neu programmiert worden sind. Das heißt, dass sie vorübergehend Eigenschaften eines anderen Zelltyps angenommen haben“, erklärt Rapp. Dabei handle es sich allerdings nicht um beliebige Eigenschaften. Vielmehr fallen die Lungenkrebszellen auf eine primitivere Entwicklungsstufe zurück: Sie bekommen leberähnliche Eigenschaften und können darum in die Leber metastasieren. Das sei möglich, weil bei der Entwicklung des Organismus sowohl die Lunge als auch die Leber aus ein und derselben Struktur gebildet werden - beide entstehen nämlich ursprünglich als Ausstülpungen des so genannten Darmschlauchs. Die Wissenschaftler planen jetzt, weitere Einzelheiten des Zusammenspiels verschiedener Signalwege bei der Tumorentstehung und Metastasierung zu entschlüsseln. Dabei wollen sie natürlich auch Angriffspunkte finden, die für die Entwicklung zukünftiger molekularer Therapien wichtig sein könnten. Ihre Arbeiten werden von der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Quelle: Cancer Cell (2007, online veröffentlicht am 13. August), Band 12, Seite 145-159. Zusammenfassung (abstract)

Bild: © Institut für Medizinische Strahlenkunde und Zellforschung

Gewebeschnitte durch die Lungentumoren von Mäusen, die mit CD31-Antikörpern angefärbt wurden, um Blutgefäße darzustellen. Im rechten Bild ist zu sehen, wie die Ausschaltung des Proteins E-Cadherin zur Neubildung zahlreicher Gefäße (rotbraun) führt.